Positionierung

Eine kulinarische Marke ­Vorarlberg

Vorarlberg
27.09.2022

Von: Thomas Askan Vierich
Mike P. Pansi, Fachgruppenobmann Gastronomie, Küchenmeister, Gastronom („Kochmeisterei“ in Hohenems) und „sanfter Veredler“ Vorarlberger Produkte, möchte der Vorarlberger Küche neue Impulse verleihen – und schaut ­dafür in die Vergangenheit
Landschaft in Vorarlberg

Wie kann man Kulinarik anders erlebbar machen? Was bedeutet Kulinarik eigentlich? Was bedeutet sie für Vorarlberg? Und wie kann man sie besser positionieren?

Das sind Fragen, die sich Mike P. Pansi gerade stellt. Dem Gastronomen und Küchenmeister geht es um Kochkunst – aber jenseits der Haubenlokale. Kochkunst im Wirtshaus oder im Bistro. Was gab es früher? Welche Lebensmittel wurden angebaut? Wie wurde gekocht? Was ist davon in Vergessenheit geraten? Warum gibt es überhaupt Käsespätzle? „Weil man die Produkte hatte“, sagt Pansi. „Milch und Käse – und zwar den besonders guten Bergkäse. Den hat jede Familie hergestellt und deshalb gibt es auch so viele verschiedene Käsespätzle-Rezepte.“

„Müssen wieder ­authentischer werden“

Man müsse aber auch wissen, wie man mit diesen Produkten erstklassig umgeht. „Deshalb spreche ich von ‚Kochkunst‘. Da müssen wir unsere Köche schulen: weg vom immer gleichen Kurzgebratenen. Es gibt eben nicht nur ‚Edelteile‘.“ Das Wort mag er überhaupt nicht. Die Kuh oder das Schwein habe noch viel mehr „Edelteile“, man müsse nur wissen, wie man die zubereitet. Dazu brauche es „Könnerschaft“. Gekochtes Rindfleisch zum Beispiel wie in der Wiener Küche. Oder Innereien.

Die Vorarlberger Küche stehe eigentlich seit Jahrhunderten eher für vegetarische oder vegane Küche. Zum Beispiel alles mit Linsen. „Wir hatten sogar eine eigene Linsenart, die im Allgäu und bei uns angebaut wurde.“ Viel Obst und Gemüse wächst im fruchtbaren Bodenseeraum. Man könnte sich auch von der Schweiz jenseits der Grenze einiges abschauen. Daraus könnte man eine kulinarische Marke bauen. „Auch unsere Gewässer geben mehr her, als wir momentan nutzen. Garnelen brauche ich andererseits nicht, die gehören nicht hierher.“ Insgesamt könnte die Vorarlberger Küche vielseitiger sein, als sie momentan angeboten wird – in der breiten Masse. Wohlgemerkt: Wir sprechen hier nicht von der Haubenküche, sondern eher vom Wirtshaus am Eck oder am Land. Wo es bisher oft eher die üblichen Käsespätzle und dann das obligatorische Schnitzel gibt. Bestenfalls noch einen Burger. Verkauft sich gut. Ist aber austauschbar. 

Inszenierung und Vermarktung

„Das Marend passt zu Tirol, weil dort die Fleischküche große Tradition hat. Wo ist die Vorarlberger Tradition? Wir sollten uns an der nordischen Küche orientieren – ohne sie zu kopieren. Die haben sich radikal darauf beschränkt, was sie selbst vor Ort haben. Und das dann entsprechend inszeniert. Diese Inszenierung brauchen wir bei uns auch. Französischer Rohmilchkäse ist weltberühmt. Dass unser Bergkäse auch aus Rohmilch ist, wissen nur die Vorarlberger und vielleicht ein paar Interessierte. Den könnte man besser vermarkten. Der könnte auch ein Weltprodukt sein.“

Der erste Schritt wird die historische Aufarbeitung sein: „Wir wollen einen Historiker beauftragen, das gründlich zu erforschen: Was heißt bäuerliche Wirtschaft in Vorarlberg in den letzten Jahrhunderten? Wie haben sich die Menschen ernährt? Wie sah die berühmte Urgroßmutterküche tatsächlich aus? Was haben wir davon in den letzten hundert Jahren alles vergessen?“ Der nächste Schritt wird sein, dieses alte Wissen wieder nutzbar zu machen. „Dann holen wir die Köche mit an Bord. Dann kommt die Könnerschaft mit ins Spiel. Das muss man ja in die heutige Zeit übersetzen: Wie bereite ich das heute mit modernster Technik zu, damit das auch wirtschaftlich wird.“ Traditionelle Küche kann auch sehr aufwendig sein, muss es aber nicht.
Das müsste doch jeden Gastronomen und jeden Koch elektrisieren. Plötzlich erweitern sich die Möglichkeiten und der Horizont.

Pansi denkt auch über Vorarlberger Xinis nach, eine Art Tapas. Aber noch sei es zu früh, darüber zu sprechen. Man möchte es „gehörig“ machen, also g’scheit. Dazu gehöre auch eine zuverlässige Verfügbarkeit. Regionalität muss auch machbar sein. Machbar jenseits der Spitzenküche – zu vernünftigen Preisen. Auch darum soll es bei der Tourismuswoche im Oktober gehen.