Booking.com vor Gericht: Ein Etappensieg mit Signalwirkung
Die Entscheidung könnte weitreichende Folgen für den europäischen Markt haben, auch für Betriebe in Österreich. Was wirklich dahinter steckt.
Lange galt: Wer auf Booking.com gelistet sein wollte, musste sich dem Diktat der Preisparität beugen. Die Plattform verpflichtete Hotels, auf keinem anderen Kanal (nicht einmal auf der eigenen Website) günstigere Preise anzubieten. Ein scheinbares Verbraucherprivileg, das sich als massiver Eingriff in den freien Wettbewerb entpuppte. Nun hat das Landgericht Berlin ein deutliches Zeichen gesetzt: Booking.com muss Schadenersatz an 1.099 deutsche Hotelbetriebe zahlen, die zwischen 2013 und 2016 durch diese Praxis finanziell geschädigt wurden.
Der juristische Streit ist damit zwar nicht beendet, aber der Richterspruch markiert einen Meilenstein. Der Umfang der tatsächlichen Schäden ist noch nicht beziffert und wird in Folgeverfahren ermittelt. Doch bereits jetzt gilt das Urteil als Richtungsentscheidung.
Für die Hotellerie bedeutet das mehr als juristische Genugtuung: Es geht um wirtschaftliche Eigenständigkeit in einer digital dominierten Branche. Die Debatte um Preisparitätsklauseln ist kein deutsches Randphänomen, sondern betrifft Hotelbetriebe in ganz Europa.
Vom Preisversprechen zum Wettbewerbsverstoß
Die rechtliche Auseinandersetzung reicht Jahre zurück: 2015 erklärte das Oberlandesgericht Düsseldorf die sogenannten „weiten“ Bestpreisklauseln für unzulässig. Diese verboten Hotels, irgendwo günstigere Raten anzubieten, selbst auf ihrer eigenen Website. Daraufhin wich Booking.com auf eine „engere“ Variante aus, die lediglich Direktbuchungen auf Hotelwebseiten betraf. Doch auch diese Praxis wurde 2021 vom Bundesgerichtshof verworfen.
Auch der Europäische Gerichtshof urteilte im September 2024, dass Paritätsklauseln, insbesondere in weiter Form, kleinere Wettbewerber systematisch benachteiligen und den Wettbewerb beschneiden können. Engere Klauseln seien allenfalls in Ausnahmesituationen vertretbar, wenn sie für das wirtschaftliche Überleben eines Anbieters unverzichtbar seien.
In der Praxis, so die Einschätzung vieler Verbände, führten die Klauseln zu überhöhten Provisionen, wachsender Abhängigkeit und einer systematischen Schwächung der Direktvertriebskanäle. Markttransparenz wurde suggeriert, während ein Oligopol entstand, das Preise nivellierte, allerdings nicht im Sinne der Kunden, sondern zum Vorteil der Plattformbetreiber.
Rückenwind für europaweite Sammelklage
Besonders aufmerksam verfolgt wird das Urteil auch in Österreich: Die ÖHV sieht darin ein „wichtiges Signal für Hotels in ganz Europa, ihre Rechte konsequent einzufordern“. Mehr als 15.000 Hotels in der EU haben sich einer Sammelklage beim Bezirksgericht Amsterdam angeschlossen. Dort ist man nun um eine juristische Vorlage reicher.
ÖHV-Präsident Walter Veit bringt es auf den Punkt: „Das deutsche Urteil zeigt schwarz auf weiß, was Hotels seit Jahren erleben: Bestpreisklauseln haben den Wettbewerb verzerrt und Betriebe finanziell geschädigt.“ Die Entscheidung aus Berlin dient als rechtliche Blaupause für die europäische Klagewelle.
Brisant ist dabei auch die Frage nach rückwirkendem Schadenersatz. Denn der durch Paritätsklauseln erlittene wirtschaftliche Nachteil, etwa in Form überhöhter Provisionen oder entgangener Direktbuchungen, könnte sich über Jahre hinweg auf Millionenbeträge summieren. In der Klageschrift der deutschen Hotels ist von Provisionsaufschlägen von bis zu 100 Prozent die Rede.
Was bedeutet das für Österreichs Hotels?
Auch wenn das Berliner Urteil formell nur deutsche Kläger betrifft, sind die Implikationen für Österreichs Hotelbranche klar. Viele heimische Betriebe standen unter ähnlichen Vertragsbedingungen wie ihre deutschen Kollegen. Sollte der Sammelklage in Amsterdam stattgegeben werden, ist auch für österreichische Hoteliers der Weg zu Schadenersatzforderungen offen.
Für die Branche geht es nicht nur um Rückzahlungen, sondern um künftige Spielräume in der Preisgestaltung. Der Direktvertrieb über eigene Kanäle, der lange zugunsten der Plattformen eingeschränkt war, könnte gestärkt aus dem Konflikt hervorgehen. Gleichzeitig wird die Debatte um faire Plattformregulierung in Brüssel neu befeuert.
Booking.com selbst verteidigt die eigene Position weiterhin. Die Plattform sieht sich als Motor des europäischen Tourismus, der Hotels zu internationaler Sichtbarkeit und zusätzlicher Auslastung verhilft. Doch das allein rechtfertigt aus Sicht der Gerichte keine Marktverzerrung.




