Lebensmittelkennzeichnung

Herkunft auf dem Prüfstand

Was für Konsumenten längst selbstverständlich ist, wird für die Gastronomie wieder heiß diskutiert: die verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Bio-Verbände, Produzenten und Nachhaltigkeitsinitiativen fordern klare Regeln. Viele Gastronomen zögern noch – aus Sorge vor Mehrarbeit und Kosten. Die ÖGZ hat die Argumente gesammelt.

Es war einmal eine Zeit, da kannte man den Bauern, der die Karotten zog, den Fleischer, der das Schwein zerlegte, und den Bäcker, der das Brot lieferte. Vertrauen war eine Sache des Händedrucks, die Qualität des Essens klar wie der Morgentau auf einem Salatblatt. Und heute? Heute ist die Welt der Lebensmittel oftmals ein Labyrinth aus Lieferketten, anonymen Produzenten und manchmal undurchsichtigen Ursprüngen. Doch im Dickicht der Etiketten keimt etwas heran: die verpflichtende Herkunftskennzeichnung – und mit ihr das Versprechen, jedem Bissen eine klare Herkunft zu geben. Viele Betriebe fragen sich jedoch, ob damit nicht neue Pflichten und Belastungen drohen – in einem Alltag, der ohnehin schon von Personalmangel und Bürokratie geprägt ist. Im Wiener Stadthotel Henriette wird diese Vision greifbar. Knarzende Holzböden, „fast alles bio“ auf der Karte, ein Frühstücksraum mit Charakter – hier gehen Genuss und Gewissen Hand in Hand. Gäste wollen wissen, woher die Zutaten kommen. Und sie fragen nach.

Die ÖGZ sprach dort im Rahmen einer Veranstaltung von „Gaumen Hoch“ mit Simon Ziegler (Die BiowirtInnen), Barbara Riegler (Bio Austria), Andreas Achleitner (Enkeltaugliches Österreich), Andreas Höritzauer (Demeter Österreich) und Reinhold Gmeinbauer (Gaumen Hoch). Ihr gemeinsames Ziel: Was im Supermarkt längst Pflicht ist – eine Herkunftskennzeichnung – soll auch in der Gastronomie Standard werden. Doch noch ist die Branche gespalten. Viele Wirte winken ab. Zu viel Bürokratie, zu hohe Kosten. Aber: Sind diese Ängste gerechtfertigt?

Mehr Transparenz wagen

Die Nachfrage nach nachvollziehbarer Herkunft steigt. Bis zu 400.000 Mahlzeiten werden in Österreich täglich außer Haus konsumiert – eine enorme Chance für jene, die Herkunft sichtbar machen wollen. Dass Österreich auch noch mit 27 Prozent Bio-Flächen weltweit vorne liegt, ist bekannt. Aber wer das in seiner Küche nicht zeigen kann, verschenkt Potenzial.

Mehr zum Thema im Podcast „Tourismus To Go“

Folge 21: Kommt die Lebensmittelkennzeichnung?

Auch deshalb fordern Bio-Verbände und Nachhaltigkeitsinitiativen eine Herkunftskennzeichnung und die verpflichtende Bio-Zertifizierung. Sprich: Wer Bio-Lebensmittel auf der Karte anführt, muss sich auch zertifizieren lassen. Denn Transparenz stärkt das Vertrauen – nicht nur bei Bio, sondern generell bei allen Produkten tierischer Herkunft. Im Regierungsprogramm ist die Herkunftskennzeichnung für Gastronomie verankert. Nur: Noch wurde sie nicht umgesetzt.

Fürsprecher der Lebensmittelkennzeichnung unter sich: v. l.: Simon Ziegler (Die BiowirtInnen), Alexandra Seyer (Gaumen Hoch), Andreas Höritzauer (Demeter Österreich), Michaela Russmann-Matzner (Die BiowirtInnen), Andreas Achleitner (Enkeltaugliches Österreich), Barbara Riegler (Bio Austria), Reinhold Gmeinbauer (Gaumen Hoch). (C) Alba Communications
Fürsprecher der Lebensmittelkennzeichnung unter sich: v. l.: Simon Ziegler (Die BiowirtInnen), Alexandra Seyer (Gaumen Hoch), Andreas Höritzauer (Demeter Österreich), Michaela Russmann-Matzner (Die BiowirtInnen), Andreas Achleitner (Enkeltaugliches Österreich), Barbara Riegler (Bio Austria), Reinhold Gmeinbauer (Gaumen Hoch). (C) Alba Communications

Dänemark zeigt, wie’s geht

Ein Blick nach Dänemark macht Mut. Dort kennzeichnet das „Organic Cuisine Label“ seit Jahren den Bio-Anteil in der Gastronomie – in drei Stufen, von Bronze bis Gold. 98 Prozent der Dänen vertrauen dem Label. Über 3.500 Betriebe nutzen es. In Kopenhagen liegt der Bio-Anteil in öffentlichen Kantinen bei über 90 Prozent. Und das Modell funktioniert – ohne bürokratische Hürden.

Die häufigsten Einwände in Österreich: „zu kompliziert“, „zu teuer“, „nicht machbar“. Doch all diese Argumente lassen sich entkräften, so die BefürworterInnen. Etwa mit dem gestuften Modell: Wer unter 30 Prozent Bio-Anteil bleibt, soll nur meldepflichtig sein. Erst darüber wird zertifiziert. Das schafft Einstiegshürden ab. Förderprogramme wie „Natürlich-Gut-Essen“ in Wien könnten die Umstellung wirtschaftlich tragbar machen. Nur ein bundesweites Programm scheiterte bisher – am politischen Willen. Bio Austria Obfrau Barbara Riegler: „Unsere Biobäuerinnen und Biobauern werden seit Jahrzehnten jährlich kontrolliert. Wir sind davon überzeugt, dass die österreichischen WirtInnen das auch leisten können.“

Auch die Preisdiskussion verliert an Schärfe: Bio wird vergleichsweise günstiger – oder anders gesagt: Konventionell wird teurer. Laut Simon Ziegler ist Bio auch hierzulande oft schon konkurrenzfähig: „Konventionelle Preise sind so stark gestiegen, dass Bio heute oft gleichauf liegt.“

Für die Spitzengastronomie wird das Thema zur Profilfrage. Ziegler bringt es im Hintergrundgespräch mit der ÖGZ auf den Punkt: „Die Kostentreiber liegen beim Personal, nicht bei den Zutaten.“ Wer beim Einkauf spart und bei der Kommunikation schwächelt, verschenkt Profil. Herkunftskennzeichnung schafft Vertrauen – und ein klares Argument für höhere Preise.

Und jetzt?

Ein Gesetzesentwurf liegt bereit. Die Bundesregierung hat Budgetmittel vorgesehen. Die Branche steht unter Zugzwang – aber auch vor einer historischen Chance. Statt auf Marketingfloskeln zu setzen, kann die Gastronomie nun zeigen, woher ihre Qualität wirklich kommt. Herkunft ist heute kein Zusatznutzen mehr. Sie wird zum zentralen Qualitätsversprechen. Und zum Wettbewerbsfaktor. Wer das versteht, gewinnt – nicht nur Gäste, sondern auch Glaubwürdigkeit.

 

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