Abgaben

Ortstaxe: Tourismus läuft Sturm gegen geplante Erhöhung

04.09.2025

Das Drehen an der Abgabenschraube könnte Wien Gäste und Kongresse kosten. Tourismusexperte Thomas Reisenzahn wirft der Stadt vor, ihren Standort selbst zu sabotieren. Und auch Incoming-Agenturen schlagen Alarm.

Es ist eine Nachricht aus dem Wiener Rathaus, die viele in der Branche sprachlos macht: Die Ortstaxe soll steigen, und zwar massiv, von derzeit 3,2 auf künftig 8,5 Prozent des Netto-Zimmerpreises. Das entspricht einer Erhöhung um satte 166 Prozent. Besonders betroffen sind Gruppenreisen und Kongressveranstalter.

„Wir haben internationale Reiseveranstalter, die ihre Gruppenreisen oder Kongresse bis zu drei Jahre im Voraus planen. Wenn wir mitten in der Angebotsphase nicht mehr sagen können, wie hoch die verpflichtende Steuer in Wien tatsächlich ist, gefährden wir die Glaubwürdigkeit und verlieren Aufträge an andere Destinationen“, warnt Helmut Bernhart, Vorsitzender des Forum Incoming. Die Steuer sei nicht nur hoch, sondern auch schwer kalkulierbar, weil sie vom Zimmerpreis abhängt. Und der schwankt, je nach Saison und Messekalender.

800 Euro mehr – nur für die Steuer

Was das konkret bedeutet, zeigt ein einfaches Rechenbeispiel: Für eine Gruppe mit 50 Zimmern und zwei Übernachtungen steigt die Steuerlast von 480 auf 1.275 Euro – eine Differenz von fast 800 Euro. Bei Großkongressen reden wir von einem Vielfachen. Und genau da liegt der Haken: Viele Veranstalter entscheiden nach dem Preis. Wien könnte auf der Strecke bleiben.

Noch ärgerlicher sei die widersprüchliche Kommunikation rund um das Startdatum. Mal ist von Dezember 2025 die Rede, mal von 2026. Das verunsichere nicht nur die Kundschaft, sondern auch die internationalen Partner, mit denen langjährige Verträge bestehen.

Wiens „Sonderweg“

Die Stadt Wien rechtfertigt die Erhöhung mit dem Hinweis auf das „europäische Mittelfeld“. Doch das hinkt, sagen Branchenkenner. Denn viele Städte verlangen fixe Beträge pro Nacht – unabhängig vom Zimmerpreis. In Wien hingegen wird prozentuell gerechnet – und zwar auf den Netto-Betrag, Frühstück nicht eingerechnet. Gerade bei höheren Raten – etwa zur Weihnachtszeit – sei die Belastung unverhältnismäßig.

„Eine Erhöhung ohne Maß und Ziel“

Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Tourismusberatung, spricht von einem „Angriff auf den Standort Wien“. In einem scharf formulierten Kommentar wirft er der Stadt vor, den Erfolg der Branche selbst zu gefährden. „Der Tourismus ist eine tragende Säule Wiens. Er schafft Milliardenwertschöpfung, Jobs und internationales Prestige. Doch statt diesen Schatz zu hegen, macht die Stadt das Gegenteil: Sie treibt Betriebe in die Enge, gefährdet Investitionen und verspielt das Vertrauen der Gäste“, so Reisenzahn.

Wien sei 2024 auf dem besten Weg zu einem neuen Nächtigungsrekord, mit 19 Millionen Übernachtungen, neun Prozent mehr als im Vorjahr. Dazu über 6.600 Tagungen und fünf Mega-Kongresse mit 670.000 Teilnehmern. Statt diese Leistung anzuerkennen, „macht die Stadt Wien das, was sie scheinbar am besten kann: Gebühren erhöhen.“

Die geplante Erhöhung katapultiere Wien ins Spitzenfeld der teuersten Destinationen Europas. Mit fatalen Folgen: „Kongresse wandern ab. Verträge werden gebrochen. Die Kosten steigen ohnehin – für Energie, Personal, Waren. Jetzt noch diese Steuer obendrauf? Das bringt viele Betriebe an den Rand ihrer Existenz.“ Auch die Konstruktion der Steuer sei laut Reisenzahn höchst problematisch: „Die Ortstaxe steigt automatisch mit jedem Preisanstieg – sie ist nichts anderes als eine verdeckte Umsatzsteuer. Das ist doppelte Besteuerung.“

„Wien sägt am eigenen Ast“

Reisenzahn spricht von einer Politik, die „den Ast absägt, auf dem sie sitzt“. Und warnt vor langfristigen Schäden: „Ein Wirtschaftsstandort lebt nicht von immer neuen Abgaben, sondern von verlässlichen Rahmenbedingungen. Wien braucht Planungssicherheit, nicht Steuertricks. Partnerschaft mit der Branche, nicht Konfrontation.“

Die Stadt wolle zusätzlich zu den 50 Millionen Euro, die 2024 eingenommen wurden, noch 81,5 Millionen Euro mehr einheben – ohne nachvollziehbare Begründung. Wenn diese Mittel nicht zumindest dem Qualitätstourismus zugutekommen, entstehe der Eindruck, dass der Tourismus zur Melkkuh der Stadtpolitik werde.

Forderungen der Branche

Die Tourismuswirtschaft fordert daher ein Umdenken. Konkret verlangt das Forum Incoming:

  • Eine Verschiebung des Inkrafttretens auf Jänner 2026,
  • ein Stufenmodell statt eines plötzlichen Sprungs,
  • Bestandsschutz für bereits abgeschlossene Verträge bis Ende 2026,
  • eine Deckelung der Steuer bei Gruppen- und Kongressbuchungen,
  • sowie eine zweckgebundene Verwendung der Mehreinnahmen – etwa für touristische Infrastruktur oder internationale Akquise.

Zusammen mit Hotellerie, Veranstaltern und der Wirtschaftskammer will man nun den Dialog mit der Stadt suchen. „Wir verstehen die Notwendigkeit, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Aber die jetzt geplante Maßnahme geht zu Lasten jener Branchen, die maßgeblich zur internationalen Strahlkraft und Wertschöpfung Wiens beitragen. Wir brauchen ein Modell, das fair, planbar und wettbewerbsfähig bleibt“, sagt Bernhart. Auch WKW-Präsident Walter Ruck äußert sich kritisch: „Die Funktion einer Gebühr ist es, die anfallenden Kosten zu decken, und nicht die Budgetlücken.“

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