Tourismus

Nachhaltige Zertifizierungen als Wettbewerbsvorteil

Nachhaltigkeitszertifikate für Reiseziele werden wichtiger. Doch welche Vorteile bieten sie? Antworten darauf gab es beim 5. TICT Talk des Travel Industry Club.

Nachhaltigkeit im Tourismus ist mehr als ein Trend – sie wird zunehmend zur Notwendigkeit. Doch wie lässt sich ein nachhaltiger Tourismus strukturiert umsetzen? Nicole Nell, Nachhaltigkeitsmanagerin von Wagrain-Kleinarl Tourismus, berichtet im Rahmen des 5. TICT Talk des Travel Industry Club Tourismus über die Herausforderungen und Vorteile einer Zertifizierung.

„Wir standen vor einem Berg an Nachhaltigkeitsthemen und wussten nicht genau, wo wir beginnen sollen“, schildert Nell die Ausgangslage. Die Region hatte bereits zahlreiche Umweltprojekte umgesetzt, von Bildungsangeboten bis hin zu grünen Pfaden. Doch um Nachhaltigkeit langfristig zu verankern, entschied man sich 2020 für eine Destinationszertifizierung.

Wer sitzt im Nachhaltigkeitsboard?

Die Wahl fiel auf Green Destinations, eine internationale Organisation mit Sitz in den Niederlanden. Eine der ersten Herausforderungen war die Schaffung einer eigenen Stelle für Nachhaltigkeitsmanagement. „Anfangs war ich nur mit 50 Prozent meiner Arbeitszeit für Nachhaltigkeit zuständig, doch schnell wurde klar, dass das nicht ausreicht“, so Nell.

Ein wichtiger Schritt war die Gründung eines Nachhaltigkeitsboards, in dem Vertreter aus allen Bereichen – Gemeinden, Bergbahnen, Gastronomie, Landwirtschaft und Einheimische – mitarbeiteten. „Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn alle Akteure eingebunden sind“, betont Nell. Die Zertifizierung wurde dabei als Strukturierungshilfe genutzt, um Stärken und Schwächen der Destination zu analysieren und gezielt Verbesserungen umzusetzen.

Der Weg zur Zertifizierung

Der Zertifizierungsprozess dauerte rund eineinhalb Jahre und erforderte eine enge Zusammenarbeit mit Experten. Michaela Hölz, Beraterin für nachhaltigen Tourismus, begleitete Wagrain-Kleinarl auf diesem Weg. „Ein Zertifikat ist kein Marketing-Tool, sondern ein Leitfaden für nachhaltige Entwicklung“, betont Hölz.

Besonders herausfordernd war die Datenbeschaffung. Viele Nachhaltigkeitsmaßnahmen wurden bereits umgesetzt, doch oft fehlten systematische Erhebungen und Dokumentationen. „Es braucht klare Verantwortlichkeiten und Zeitressourcen, um die notwendigen Informationen zu sammeln“, erklärt Nell.

Die Region entschied sich später für eine Doppelzertifizierung: Neben Green Destinations wurde 2023 auch das Österreichische Umweltzeichen verliehen. Während Green Destinations einen globalen Vergleich ermöglicht, bietet das Umweltzeichen eine starke Anerkennung im deutschsprachigen Raum.

„Das Audit war ein lehrreicher Prozess“, sagt Nell. „Es hat uns gezeigt, wo wir noch Verbesserungspotenzial haben.“ Die gewonnenen Erkenntnisse führten zu konkreten Maßnahmen, darunter die Umstellung aller Veranstaltungen auf Green Events, Schulungen für Betriebe und die Förderung nachhaltiger Mobilität.

Welche Zertifizierung ist die richtige?

Neben Green Destinations und dem österreichischen Umweltzeichen gibt es zahlreiche weitere Zertifikate für Tourismusregionen. Karl Reiner, Experte für nachhaltigen Tourismus und langjähriges Mitglied des Travel Indutry Clubs, gibt einen Überblick:

„Weltweit existieren rund 40 relevante Destinationszertifikate, darunter GSTC (Global Sustainable Tourism Council), Travelife und Green Key.“ Jede Zertifizierung setzt unterschiedliche Schwerpunkte. Während das österreichische Umweltzeichen besonders strenge ökologische Kriterien vorgibt, fokussieren sich andere Programme stärker auf soziale oder wirtschaftliche Aspekte.

Um Transparenz zu schaffen, gibt es den „Certification Quick Finder“ – eine Plattform, die über 20.000 zertifizierte Betriebe weltweit verzeichnet. „Diese Übersicht hilft Destinationen, das für sie passende Zertifikat auszuwählen“, erklärt Reiner.

Erfolgsfaktoren für nachhaltige Destinationen

Was macht eine Zertifizierung erfolgreich? Die Experten sind sich einig:

  • Ein klares „Warum“ definieren: „Viele Destinationen starten mit einer Zertifizierung, weil es gerade angesagt ist. Doch ohne eine klare Motivation kann der Prozess ins Stocken geraten“, warnt Hölz.
  • Nachhaltigkeit tief in der Organisation verankern: „Es reicht nicht, eine einzelne Person mit dem Thema zu betrauen. Nachhaltigkeit muss in den Entscheidungsstrukturen verankert sein“, sagt Nell.
  • Stakeholder einbinden: „Nur wenn Gemeinden, Unternehmen und Einheimische mitziehen, kann eine Region wirklich nachhaltig werden“, betont Reiner.
  • Kleine Schritte setzen: „Es ist besser, kontinuierlich Fortschritte zu machen, als sich an zu großen Zielen zu übernehmen“, so Hölz.
Zusammenfassung

Eine Destinationszertifizierung ist kein Selbstzweck, sondern ein strategisches Instrument zur nachhaltigen Entwicklung. Sie hilft Regionen, ihre Maßnahmen systematisch zu strukturieren, Stärken auszubauen und Schwächen zu beheben.

„Eine Zertifizierung bringt nicht automatisch mehr Gäste, aber sie schafft Glaubwürdigkeit und hilft, Nachhaltigkeit langfristig zu verankern“, fasst Nicole Nell zusammen.

Angesichts wachsender Erwartungen von Reisenden, Investoren und politischen Entscheidungsträgern wird Nachhaltigkeit im Tourismus zunehmend zum Standard – und Zertifikate sind ein wichtiger Schritt auf diesem Weg.

 

 

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