Uns fehlt eine Strategie in Osttirol
Interview: Mit dem engagierten Hotelier und Vorsitzenden der Jungen Wirtschaft Thomas Winkler könnte dem TVB Osttirol eine Erneuerung und gleichzeitig auch Verjüngung ins Haus stehen.



Immer wieder gerät der TVBO in Turbulenzen. Heftig diskutiert wurde zuletzt die Erhöhung der Aufenthaltsabgabe auf 2,50 Euro. Dadurch sollen für den stark verschuldeten Verband (man spricht von 8 Mio. Euro) Investitionsmittel frei werden. Konkret ist von einer Unterstützung in Höhe von 4,2 Mio. Euro für die Osttiroler Skigebiete von Liftunternehmer Heinz Schultz die Rede. Kritiker und selbst das Land Tirol halten dem entgegen, dass es eine Infrastrukturanalyse und eine Destinationsstrategie für Osttirol gibt, die Osttirol als vieles sieht, nicht aber als Top-Ski-Destination. Gerungen wurde zuletzt auch über eine außerordentliche Abschreibung für das Skigebiet Hochstein in Höhe von 6,6 Mio. Euro. Diese hätte für den TVBO als Eigentümerin der Lienzer Bergbahnen den Ruin bedeutet und wurde in letzter Minute abgewendet. Vor diesem Hintergrund haben wir Hotelier Thomas Winkler zur Einschätzung der Situation befragt.
ÖGZ: Sie sind seit Jahresbeginn 2016 Vorsitzender der Jungen Wirtschaft Osttirol. Warum ist es Ihnen wichtig, sich zu engagieren?
Winkler: Ich bin keiner Partei angehörig, halte aber Interessenpolitik für sehr wichtig, denn wir müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit junges Unternehmertum auch in Zukunft attraktiv ist. Mein Credo seit meiner Rückkehr nach Osttirol lautet: Ich möchte Verantwortung übernehmen und mich engagieren. Da hat sich die JW angeboten, denn so kann ich mich im Bezirk aktiv für die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer einsetzen und die Meinung der Jungen in der Osttiroler Wirtschaft vertreten.
Das Aktionsprogramm der JW hat einen starken touristischen Fokus. Weshalb gerade dieses Thema – unabhängig davon, dass Sie selbst Touristiker sind?
Der Tourismus beeinflusst auch in Osttirol viele Branchen weit über den Tourismus hinaus. Wir legen jedes Jahr einen Themenschwerpunkt, und heuer war es eben der Tourismus. Diesen Juni organisierte die JW zum sechsten Mal den Glockner Summit für Jungunternehmer aus ganz Österreich mit Vorträgen und der Besteigung des Großglockners. Am Kick-off-Abend im Gradonna Mountain Resort in Kals referierte Conos-Geschäftsführer Arnold Oberacher über „Erfolgsfaktoren für Tourismusdestinationen“, der Geschäftsführer der Wanderhotels, Eckhart Mandler, stellte die erste „Slow-Food-Travel-Destination Gailtal und Lesachtal“ vor, und mein Schulkollege Christoph Schmuck, Obmann des TVB Leogang-Saalfelden, gab einen Einblick in die „Erfolgsfaktoren der Region Saalfelden-Leogang“. Als Inspiration und Motivation war der Abend toll – nicht nur für Touristiker.
Inwieweit konzentriert sich das heurige JW-Programm noch auf den Tourismus?
Den Sommer-Cocktail, zu dem alle Osttiroler Jungunternehmer geladen sind, haben wir heuer mit einer Besichtigung des neu renovierten und im Vorfeld in der Öffentlichkeit doch stark diskutierten Dolomitenbades in Lienz verbunden. Im Herbst folgt ein Netzwerktreffen in Form einer Kochveranstaltung mit Zwei-Hauben-Koch Ernst Moser vom Saluti in Matrei in der Hotelfachschule Lienz. Wir werden in kleinen Gruppen kochen und netzwerken. Mit dieser Einladung will ich dem Thema Nachwuchs, Lehrlinge und Mitarbeiter einen Fokus geben, da wir diese Themen und ihre Herausforderungen für den Bezirk diskutieren werden.
Sie haben im Frühjahr im Rahmen der JW-Programmpräsentation öffentlich einen Neustart des TVB Osttirol gefordert nach dem Motto: Politik raus, junge Touristiker rein! Wie steht es mit dieser Forderung?
Zu dieser Forderung stehe ich nach wie vor. Hauptsächlich geht es darum, dass wir die Zukunft für den Tourismus in unserer Region in die richtige Richtung lenken und den Verband professionell führen. Wenn im Vorstand Vertreter mit höheren politischen Ämtern sitzen, entsteht sehr schnell der Eindruck, dass das Verbandsgeschehen ein Spielball der Politik ist. Was aber auf der Strecke bleibt, ist der Tourismus. Das müssen wir angehen.
Wie würden Sie das angehen?
Mit einer transparenten Budgetführung, einer Schärfung der Strategie und unserer Produkte und einer transparenten Mittelvergabe. Osttirol verfügt mit über 8 Mio. Euro über eines der höchsten Budgets der Tiroler Verbände. Wir haben also schon ein gutes Budget, mit dem wir arbeiten könnten. Das Problem liegt in der Ausgabenstruktur. Zudem hat man als Außenstehender oft den Eindruck, dass Entscheidungen spontan, aus dem Bauchgefühl getroffen werden, ohne die strategischen Prioritäten zu verfolgen. So führt man einen Verband nicht professionell. Der Verband und der Tourismus müssen wieder in den Mittelpunkt rücken. Wir benötigen dringend einen Geschäftsführer mit klaren Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Das haben wir zurzeit nicht, das muss man ganz offen sagen. Es gehören einfach auch wieder Touristiker ins Zentrum wichtiger Gremien.
Konkret heißt das?
Die TVB-Wahlen sind im Dezember 2017. Ich bin sehr optimistisch und hoffe, dass wir dieses Mal einen Umbruch zugunsten des Tourismus zustande bringen. Die Stimmung unter den Touristikern im Bezirk ist nicht gut. Es fehlt das Vertrauen.
Der handelnde Obmann hat tolle Sachen gemacht. Die Zeit ist jetzt aber längst reif für einen Umbruch. Noch gibt es keine konkreten Listen. Die werden sich in den nächsten Wochen und Monaten formieren. Und wie bereits gesagt, ich bin bereit und möchte Verantwortung für unsere Region übernehmen.
Mit welchen Themen, Herausforderungen sieht sich das touristische Osttirol konfrontiert?
Als junger Touristiker möchte ich meine Betriebe noch viele Jahre führen, die Region hat so viel Potenzial, das wir ausschöpfen müssen. Wir haben auch bereits einiges, das gut funktioniert. Die Sommermonate Juli und August laufen ja sehr gut. Aber dann gibt es das Thema der Vor- und Nachsaisonen Mai bis Juni und September bis Oktober, da lassen wir aktuell einiges liegen, obwohl die Region in diesen Zeiten so viel zu bieten hat, jegliche Art von Aktivität und Erlebnis. Wir haben alle Voraussetzungen, um eine Ganzjahres-Destination zu werden.
Der Winter ist für mich eine größere und schwierigere Herausforderung, hier kämpfen ja viele Regionen mit der gleichen Frage, wie es in der Zukunft weitergehen soll. Da braucht es gute Ideen und neue Ansätze, damit wir hier gut aufgestellt sind. Ein weiteres Thema sind die großen Events. Wir haben viele tolle Events, aber auch Veranstaltungen, wo man sich die Kosten-Nutzen-Frage stellen muss und sich die Prioritäten für die Region anschauen muss.
Gibt es eine Strategie, der Osttirol folgen sollte?
Generell ist zu sagen, dass Osttirol über eine Strategie verfügt, die aber in einer Schublade liegt und meiner Meinung nach überhaupt nicht konsequent verfolgt wird. Ich habe viele Jahre in einem Konzern gearbeitet. Da gibt es eine klare Strategie und Ziele. Jeder weiß, wohin die Richtung geht und warum man es macht. Das fehlt mir aktuell enorm. Ein wichtiges Thema ist auch der Stellenwert des Tourismus in der Region und die Bewerbung nach innen. Es ist wichtig, dass die Bevölkerung hinter dem Tourismus steht. Da haben wir viel Arbeit im Bezirk. Wir müssen die Einheimischen mit ins Boot nehmen und darlegen, wie wichtig der Tourismus für alle ist.
Wie schätzen Sie die aktuellen Rahmenbedingungen ein?
Die Rahmenbedingungen an sich sind vielleicht nicht die einfachsten, wenn man an die geografische Lage denkt, wir haben ja zum Beispiel keine Autobahn und sind vielleicht für einige „ein wenig ab vom Schuss“. Für mich sind aber genau das die Vorteile, die wir haben. Das ist es, wofür die Gäste kommen und Osttirol lieben. Die Natur, der Großglockner, der Nationalpark Hohe Tauern, die Dolomiten, die Rückzugsmöglichkeiten, die Authentizität. Es geht jetzt darum, das Produkt zu schärfen, um die richtigen Investitionen und deren Priorisierung.
Wie sehen Sie das Angebot an Gastronomie und Hotellerie in Osttirol?
Unsere Region hat herausragende Hotels und Restaurants und viele engagierte Familien, Touristiker und
Gastronomen, die mit Herzblut arbeiten. Das gilt für das ganze Spektrum an Angeboten, egal ob Sterne-Hotel, Almhütte, Restaurants oder Ferienwohnungen.
Natürlich würden wir uns wünschen, wenn bettenmäßig noch etwas passiert. Man hat das am Beispiel von Kals gesehen, wo der Bau des Gradonna Mountain Resort ein ganzes Dorf befruchtet hat.
Wie soll sich Osttirol touristisch weiterentwickeln?
Am wichtigsten wird es sein, das vorhandene Angebot und Produkt zu schärfen und weiterzuentwickeln, um die Marke und unsere Region attraktiver zu machen.
In der heutigen Zeit suchen die Gäste gezielt nach Themen wie Ursprünglichkeit, Natur, Authentizität. Wir haben das alles, müssen es nur verstärkter an den Gast bringen. Wir brauchen aber auch innovative Angebote, und hierzu gibt es bei uns viele junge Touristiker mit sehr guten Ideen und Plänen, sodass ich hier sehr optimistisch bin, dass – wenn man diese Menschen arbeiten lässt – viel Gutes für die Region herauskommen wird.
Wo sehen Sie Brennpunkte?
Der aktuell größte Brennpunkt sind für mich die Lienzer Bergbahnen, der TVB ist hier Mehrheitseigentümer gemeinsam mit der Stadt Lienz. Es wurden in der Vergangenheit falsche Investitionsentscheidungen getroffen und sehr lange nichts mehr gemacht, sodass wir heute in einer sehr herausfordernden Situation sind.
Zur Person
Thomas Winkler, 33, aufgewachsen im elterlichen Vier-Sterne-Hotel Moarhof von Pepo und Helga Winkler mit 110 Betten in Lienz, Absolvent der Tourismusschulen Am Wilden Kaiser, Business- und Managementstudium an der FH Kufstein, acht Jahre Tätigkeit im Bereich Finanzen und Controlling beim Kosmetikkonzern L’Oréal in Wien und Paris. Die Sehnsucht nach der Heimat, die Geburt der heute zweijährigen Tochter – Gattin Romana kommt auch aus der Tourismusbranche – führte zur Rückkehr nach Osttirol. Im Mai 2015 Übernahme und Kauf des Drei-Sterne-Hotels Dolomitenhof mit 50 Betten in Tristach im Lienzer Talboden.