Versammlung am Heldenplatz: Für das Recht auf Stillen
Anlässlich der Weltstillwoche 2025 rief das österreichische Unternehmen Mam Baby gemeinsam mit dem Hebammenzentrum Wien zum „Still-Stand“ auf. Über 150 Mütter, Väter, Hebammen und solidarische Personen fanden sich am Wiener Heldenplatz ein und setzten ein Zeichen für die Normalisierung des öffentlichen Fütterns, egal ob mit Flasche oder Brust.

„Die Brust gehört nicht in den öffentlichen Raum.“ Was klingt wie ein übergriffiger Kommentar, entspricht laut einer neuen repräsentativen Studie von Mam und TQS der Haltung von rund jeder fünften Person in Österreich. Zwei von drei Frauen machen beim Stillen in der Öffentlichkeit negative Erfahrungen.
Still-Stand statt Stillstand

Wenn ein Baby Hunger oder Durst hat, zählt nur eines: das unmittelbare Stillen seiner Bedürfnisse. Dennoch fühlen sich viele durch stillende Mütter gestört. Laut aktuellen Still-Umfragen von Mam Babyartikel erleben zwei von drei stillenden Müttern (67,2 Prozent) Diskriminierung in der Öffentlichkeit. 43 Prozent der Befragten lehnen öffentliches Stillen ab, jede*r Fünfte hält es für unappetitlich oder unhygienisch. Auf diesen Missstand wollen Mam und das Hebammenzentrum Wien aufmerksam machen und luden zum „Still-Stand“.
Gemeinsam mit dem Hebammenzentrum Wien rief Mam Babyartikel zur öffentlichen Versammlung auf. Mehr als 150 Eltern, Hebammen, Babys und Unterstützer*innen trafen sich am Heldenplatz, um ein Zeichen für die Normalisierung des Stillens zu setzen. „Ich geriet schon in unangenehme Situationen, wenn ich mein Baby in der Öffentlichkeit gestillt habe. Ich bin heute hier, um aufzustehen und ein Zeichen zu setzen. Der Still-Stand zeigt mir: ich bin nicht alleine und das gibt mir Kraft“, sagt Angelika Bör, Mutter eines acht Monate alten Babys. „Wir sind begeistert, dass sich heute so viele eingefunden haben, um gemeinsam ein Signal an die Öffentlichkeit zu richten! Das Füttern von Babys ist zu jeder Zeit und an jedem Ort in Ordnung! Mütter und ihre Babys entscheiden und wissen, was das Beste für sie ist“, zeigen sich die Initiator*innen des Still-Stands Sabrina Krejan und Georg Ribarov von Mam euphorisch.
Die Wurzel des Tabus
Warum das Stillen in der Öffentlichkeit immer noch polarisiert, erklärt die klinische Psychologin Sanja Prochazka-Piplica: „Das Tabu hat historische und kulturelle Wurzeln: Weibliche Körper werden seit jeher sexualisiert. Viele Mütter spüren, dass sie sich rechtfertigen müssen – das zeigt, wie stark unausgesprochene Schamregeln wirken.“ Sie unterstützt den Still-Stand aufgrund eines persönlichen Erlebnisses: „Vor einiger Zeit erzählte mir eine Mutter, dass sie mitten in einem Einkaufszentrum allein auf der Toilette saß, um ihr Baby zu stillen – aus Angst vor Blicken. Das berührte mich tief. Stillen sollte kein Versteckspiel für Mütter sein – wir alle können Offenheit und Unterstützung zeigen.“
Für eine gesunde Entwicklung

Dabei ist Stillen laut einer Aussendung kein Akt der Provokation, sondern der Fürsorge und für das Baby lebensnotwendig. Auch Hebamme Johanna Eitzenberger vom Hebammenzentrum Wien unterstützt die Still-Aktion: „Stillen ist bekanntlich viel mehr als reine Nahrungsaufnahme. Es stillt Nähe, Hunger und Durst – gerade jetzt in der Sommerhitze. Dabei ist zentral, dass die Bedürfnisse eines Babys unmittelbar gestillt werden, damit es sich gesund entwickeln kann.“ Nur durch eine fürsorgliche und zeitnahe Reaktion auf die frühkindlichen Bedürfnisse könne eine starke Bindung zwischen Eltern und Baby aufgebaut und die Basis für eine gesunde kognitive Entwicklung gelegt werden, erklärt die Expertin. „Ein Baby, das nicht gehört wird, lernt: ‚Ich bin nicht wichtig genug.‘ Das bleibt als Kind. Wer öffentliches Stillen ablehnt, macht Eltern und Kinder unsichtbar – oder zwingt sie zur Vernachlässigung“, so Eitzenberger.
„Die Mehrheit der stillenden Mütter hat bereits negative Reaktionen – manche sogar regelrechte Anfeindungen – erleben müssen. Unsere Umfragen zeigen: Mütter machen dabei – so paradox das klingt – vor allem in Lokalen und Cafés, wo die kulinarische Versorgung im Vordergrund steht, schlechte Erfahrungen“, so Sabrina Krejan, Still-Stand-Initiatorin und Mam Marketing Managerin. Die Reaktionen reichen von abfälligen Blicken, anzüglichen oder abwertenden Bemerkungen bis hin zum Platzverweis. Betroffene erzählen: „Die Brust in einem Restaurant herzuzeigen sei unappetitlich“; „Ein Kellner kam zu mir und fragte: Können Sie ihr Kind nicht am Klo stillen?“; „In einem Café wurde ich hinausgeschmissen“; „Ein Mann fragte mich, ob er auch mal ‚ran dürfe‘“; „Mir wurde gesagt, ich könne mein Kind ja auch eine halbe Stunde später stillen“. „Mehr als 1.000 Erlebnisse schilderten uns die Mütter. Die Reaktionen sind so unterschiedlich wie sie erschreckend sind“, fährt Krejan fort.
Betriebe mit Stillsiegel
„Der öffentliche Raum soll sicherer werden für Stillende“, kommentiert Georg Ribarov, Still-Stand-Initiator und Country Manager Austria bei Mam. „Seit unserer Gründung vor fast 50 Jahren steht Mam dafür, den Babyalltag leichter zu machen und das Wohlbefinden von Eltern und Babys zu fördern. Das Stillen oder das Füttern mit dem Fläschchen darf nicht vom Ort abhängig sein, sondern vom Bedürfnis des Kindes.“ Deshalb rief Mam 2023 das erste österreichische Stillsiegel für Lokale und Institutionen ins Leben, wir berichteten. Als Kennzeichen für Betriebe, die sich zu einem stillfreundlichen Klima sowie der Österreichischen Stillcharta bekennen. „Als Mama und als Geschäftsführerin der Kaffeehäuser und Restaurants der Familie Querfeld freue ich mich über die Gastro-Initiative. Stillen sollte überall eine Selbstverständlichkeit sein. In allen Betrieben der Familie Querfeld heißen wir stillende Mütter daher ausdrücklich willkommen. Das Stillsiegel steht für diesen offenen Zugang und bietet gerade traditionsreichen Kaffeehäusern die Chance, ein sichtbares Zeichen für gelebte Willkommenskultur zu setzen“, so Karoline Klezl, Geschäftsführerin der Kaffeehäuser und Restaurants der Familie Querfeld. Mittlerweile wurden 210 Betriebe österreichweit ausgezeichnet – darunter bekannte Namen wie Kolariks Luftburg, alle Primark-Filialen, die Volkshochschulen Wien, der Tierpark Herberstein oder das Bootshaus. Alle Stillsiegel-Betriebe sind hier aufgelistet. „Cafés und Restaurants, aber auch Museen, Hotels, Bibliotheken und andere öffentliche Einrichtungen sind herzlich eingeladen, sich der Initiative anzuschließen und für mehr Stillfreundlichkeit zu sorgen“, motiviert Georg Ribarov.
Statements und Erfahrungen
• „Ich wurde beim Stillen in der Öffentlichkeit fotografiert – das war mir sehr unangenehm.“
• „Ich wurde als Milchkuh bezeichnet.“
• „Als ich mein Kind auf einer Bank im Tiergarten stillte, ging ein Mann vorbei und fragte, ob denn schon Fütterungszeit sei.“
• „Ich wurde im Lokal nicht bedient, weil ich mein Kind dort gestillt habe.“
• „Ich wurde im Restaurant darauf hingewiesen, es sei unangebracht mein Kind an der Brust zu stillen. Angeblich sei das unappetitlich und abstoßend, ja sogar pervers.“
• „Ein Kellner hat mir empfohlen, zum Stillen auf die Toilette zu gehen.“
• „Eine andere Mutter im Restaurant beschwerte sich beim Kellner über mich, weil ihre Teenager-Söhne beim Stillen ‚nicht wegschauen konnten.“
• „Manche Leute haben einfach den Kopf geschüttelt, ohne etwas zu sagen – aber es war deutlich.“
• „Im Einkaufszentrum wurde ich angepöbelt, warum ich denn hier stillen müsse. Das wolle schließlich niemand sehen.“
• „In der U-Bahn fragte jemand laut neben mir: ‚Muss die das hier machen? Bäh.‘ Daraufhin habe ich die U-Bahn verlassen.“
• „Ein älterer Mann hat mir vorgeworfen, ich würde ihn sexuell belästigen, weil ich mein Kind neben ihm gestillt habe. Er forderte mich auf, meine Brüste ‚wieder einzupacken‘. Sonst würde er die Polizei rufen.“
• „Mein Partner wollte nicht, dass ich öffentlich stille, weil er sich dadurch gestört fühlt.“
• „Ich wurde gefragt, ob ich ‚immer noch‘ stille. Mein Kind sei doch ‚schon zu groß‘ dafür.“
• „Ich saß auf einer Parkbank und stillte mein Baby – ein paar Blicke haben gereicht. Ich habe mich so unwohl gefühlt, dass ich das Stillen abgebrochen habe.“
• „Auf einem Spielplatz bat mich eine andere Mutter, mit dem Stillen aufzuhören. Ihre Begründung: Ihre Kinder könnten denken, das sei normal.“
• In Kindergarten legte mir eine andere Mutter ungefragt ein Tuch über die Schulter. Angeblich zu meinem „Schutz“.
• „Ich habe das Stillen in der Öffentlichkeit oft vermieden – zu viele unangenehme Blicke, besonders von Männern. Das schränkt die Freiheit als Mutter mit einem Baby massiv ein.“
• „Fast jedes Mal, wenn ich stillte, bekam ich komische Blicke. Irgendwann habe ich es vermieden und bin lieber zu Hause geblieben.“