Familienbande: Der Sattlerhof im ÖGZ-Porträt

Früher“, sagt Andreas Sattler, „war hier nichts.“ Er deutet auf die üppigen Weinreben, die sich weit unter ihm erstrecken. „Nur ein karger Hügel, ein halb verfallener Bauernhof und ein paar Rebzeilen.“

Umgeben von steilen Hängen bei Gamlitz in der Südsteiermark, wurde das Weingut 1866 erstmals urkundlich erwähnt, im Familien­besitz ist es nachweislich seit 1887. Es dauerte aber bis Anfang der 1950er-Jahre, als das wertvolle Stück Land in den besten heimischen Sauvignon-blanc-Lagen aus seinem Dornröschenschlaf geweckt wurde. 1965 übernahmen Luise und Wilhelm Sattler den Hof, 1966 wurde der erste Wein abgefüllt. Der Rest ist Familiengeschichte.

Wo Sattlerhof draufsteht, ist definitiv ein/e Sattler drin: Dort, wo einst der halb verfallene Bauernhof stand, existiert heute das schönste Gastro-Gesamtpaket an der südsteirischen Weinstraße: der „Sattlerhof“ mit Hotel, Weingut, Wirtshaus und Genussrestaurant, liebevoll geführt vom Sattler-Clan. Am 35 Hektar großen Weingut hat heute die neue Generation mit Andreas und Alexander Sattler das Sagen, die von ihrem Vater Willi übernommen haben. Im Hotel und den beiden Restaurants lösen im Frühjahr 2023 Anna und Markus Sattler ihren Vater Hannes ab, den Bruder von Willi Sattler. „Wir sind eine Großfamilie, wir arbeiten, leben, kreieren und schaffen miteinander“, erzählt Anna Sattler lachend.

Was das Brüder-Duo in den letzten Jahrzehnten schuf, gilt in der Branche als einzigartig und visionär: Spitzenkoch Hannes Sattler eröffnete im Jahr 1990 das erste Haubenrestaurant in der Südsteiermark und hat heute drei Gault-Millau-Hauben, Winzer Willi Sattler machte das Weingut international bekannt. Seit 2020 zählt es laut dem US-Weinmagazin „Wine & Spirits“ zu den 100 besten Weingütern der Welt.

Am Sattlerhof gehen nicht nur die Familienmitglieder, sondern auch Traditionen und Trends Hand in Hand. Man bewahrt sich das, was man aufgebaut hat, richtet aber den Blick auch in die Zukunft. Andreas und Alexander Sattler setzen auf die langjährigen Erfahrungen ihrer Eltern genauso wie auf ihre neue biodynamische Arbeitsweise in den Weingärten, um die nachhaltige Kultivierung der Böden und die Rebstöcke möglichst langlebig zu halten.

„Seit 2013 sind unsere Weingärten bio-zertifiziert.“ Dazu kommt ein Weitblick in Sachen Weinbau der Zukunft: Aktuell beschäftigen sich die Brüder mit selbst fahrenden Traktoren, die die Arbeit in den steilen Hängen sicherer machen würden. Hannes Sattler wiederum entschied sich in seinen Restaurants schon lange für Regionalität und Top-Produkte von heimischen Bauern. Die Hendln stammen aus dem Sulmtal, die Milchprodukte aus Gamlitz, das Frischfleisch aus Wildon, das Wildfleisch aus eigener Jagd, Gemüse und Kräuter aus dem eigenen Garten. Hier wächst so ziemlich alles – von Artischocken über Zucchini bis hin zu Tomaten und alten, kaum bekannten Sorten.

Die Gastro-Geschichte der Sattlers wuchs langsam, aber stetig: Nach der Eröffnung des Genussrestaurants 1990 folgte ein Jahr später das Hotel: Heute gibt es 17 Zimmer, einen Pool inmitten der Weinreben und die Vision, in Zukunft zu vergrößern. 2000 eröffnete die Familie zusätzlich zum Haubenrestaurant das Wirtshaus, in dem steirische Spezialitäten auf den Tisch kommen.

Besonders beliebt ist das Gourmet-BBQ auf der Wirtshausterrasse jeden Donnerstag im Sommer, wo unter anderem die Lammspezia­litäten aus der hauseigenen Schafzucht von Willi Sattler gegrillt werden. „Seit wir das Wirtshaus haben, kommen auch viele Einheimische zu uns“, freut sich Anna Sattler. Die 27-Jährige steht gemeinsam mit ihrem Bruder Markus für die Zukunft des Hotel- und Gastrobetriebs – und bringt internationale Ideen auf den Hof. Nach Jahren im Ausland und hochkarätigen Stationen bei „Alain Ducasse at the Dorchester“ in London (drei Sterne), „Alain Ducasse at Morpheus“ in Macao (zwei Sterne) oder dem „Jordnaer“ in Kopenhagen (zwei Sterne) ist sie zurück im Familienbetrieb. „Ich musste weggehen, um zurückzukommen“, sagt sie. „Heute weiß ich sicher: Hier gehöre ich hin!“ 

Mitgebracht von ihren Reisen hat sie ihren Lebenspartner Thomas Ferrand, der sofort in den Sattler-Clan aufgenommen wurde und den Betrieb mit seinem wertvollen Wissen verstärkt: Der französische Spitzensommelier gilt als Wein­freak und hat die Weinkarte entsprechend erweitert. Ab dem Frühjahr 2023 übernehmen Anna Sattler und Thomas Ferrand die Verantwortung für den Service und das Hotel, während Markus Sattler die Restaurants führen wird. Wie seine Schwester veredelte er sein Talent im Ausland und war unter anderem im „Konstantin Filippou“ in Wien (zwei Sterne), im „Les Deux“ in München (zwei Sterne) sowie im „Vollmers“ in Malmö (zwei Sterne). Egal ob Vergangenheit oder Zukunft, das Motto bleibt „Family first“. Das hilft den Sattlers nicht nur im Alltag, sondern auch durch schwierigere Zeiten, egal ob Betriebsschließungen wegen Corona oder dem vorherrschenden Fachkräft emangel. „Weil wir ein Familienbetrieb sind, kommen wir da gut durch“, erzählt Anna Sattler. Die Nachhaltigkeit, die auf dem Weingut gelebt wird, soll sich künftig noch verstärken. 

Der langfristige Trend gehe eben genau dahin: zu Langfristigkeit und nachhaltiger Mitarbeiterführung. „Weg von der Saison, hin zu Jahresverträgen“, ist sie überzeugt. Wer bei den Sattlers arbeitet, wird herzlich aufgenommen. Familienbande eben.