Plant Based

Normal oder mit Fleisch?

Kulinarik
13.09.2022

Von: Daniel Nutz
Plant-Based ist auf dem Vormarsch. Dabei bedient pflanzenbasierte Ernährung längst nicht bloß die Wünsche der Veganer. Wir haben versucht, dem Trend auf den Grund zu gehen und herauszufinden, was die Gastronomie ­daraus ableiten kann
Kind mit Brokkoli

Normal oder mit Fleisch?“, lautet die provokante Frage auf hunderten Plakatwänden. Und sie wird nicht etwa von der veganen Gesellschaft Österreich gestellt, sondern von einem Unternehmen, bei dem gegrilltes Fleisch eigentlich in der DNA steht: Burger King. Diesen Sommer eröffnete die 1954 in Florida gegründete Fast-Food-Kette das erste 100-Prozent-Vegan-Lokal weltweit, und zwar am Wiener Westbahnhof. 

„Der Anteil an fleischlosen Alternativen stieg zuletzt in einer beachtlichen Geschwindigkeit. Darum haben wir uns bereitgefühlt, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen“, sagt Jan-Christoph Küster, der Chief Marketing Officer von Burger King Österreich, auf ÖGZ-Anfrage. In den ersten Tagen sei das Lokal förmlich gestürmt worden. Mittlerweile habe sich der Zulauf eingependelt, sagt Küster, und fügt hinzu: „auf erfreulicherweise erstaunlich hohem Niveau!“

Die Zeiten, in denen Veganer und Vegetarier als Kunden noch mit Beilagen und Pommes abgespeist werden konnten, sind längst vorbei. Das zeigen Konsumentenstudien eindeutig. Eine wichtige Kundengruppe sind hier die Flexitarier, die prinzipiell den Geschmack von Fleisch mögen, aber aus in erster Linie ethischen Gründen (Tierwohl, Klimaschutz …) diesen möglichst einzuschränken versuchen – siehe dazu das Interview auf Seite 30. 

Wie groß ist der Plant Based-Markt?

Der amerikanische Marktforscher Meticulous prognostiziert für 2027 einen weltweiten Markt für Ersatzprodukte zu tierischen Erzeugnissen von 74 Milliarden US-Dollar – bei einer phänomenalen Wachstumsrate von 12 Prozent pro Jahr. In der EU und Großbritannien wird der Markt an Fleischalternativen laut einer Prognose der EU-Kommission 1,3 Prozent betragen, bei Alternativen zu Milchprodukten bereits 4,1 des Gesamtmarktes. Klingt nach nicht viel? Auch hier liegen die Wachstumsraten im zweistelligen Bereich. Und in den USA haben Alternativen zu Milchprodukten bereits einen Anteil von 14 Prozent. Wie der Marktforscher Nielsen nachweist, stieg von 2018 bis 2020 der Umsatz von Plant-Based in Österreich um 57 Prozent an.  

Kein Wunder, dass der Großhandel wie etwa Marktführer Transgourmet bereits mit ihren eigenen Plant-Based-Marken die Nachfrage bedienen. Hotels und Restaurantketten schließen Lieferverträge mit einschlägigen Anbietern. So verkündete Vapiano, ab sofort mit der Schweizer Firma Planted zusammenzuarbeiten. Das Hilton Vienna Park setzt auf den ebenso schweizerischen Produzenten Green Mountain. Aber auch einschlägige Erzeuger von Fleischprodukten wie Salomon Foodworld mischen mit. Ihr Vorteil: Die Kunden trauen solchen etablierten Playern eher zu, dass deren Produkte jenen aus Fleisch im Geschmack nicht nachstehen.  

Was bedeutet Plant-Based?

Doch was heißt eigentlich Plant-Based? Von Plant-Based sprechen wir, wenn Grundlage der Ernährung pflanzliche, unverarbeitete Produkte sind. Fleisch, Fisch und Eier werden demnach nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern können gegebenenfalls die Ernährung ergänzen. Somit ist Plant-Based nicht mit Veganismus gleichzusetzen. Dies ist wichtig zu wissen, weil der Begriff Plant-Based (= auf Pflanzen basierend) sehr häufig im Kontext mit neuen Formen des Konsums verwendet wird. Es geht dabei um neue Lebensstile. Es geht um bewusste Ernährung, die auch eine Reaktion auf unsere Überflussgesellschaft ist. 

Was heißt das für die Gastronomie? Prinzipiell kann auf Plant-Based nicht mehr verzichtet werden. Stellen Sie sich vor, es kommt eine fünfköpfige Familie in Ihr Lokal – die Wahrscheinlichkeit, dass zumindest ein Mitglied an diesem Tag ein pflanzenbasiertes Gericht zu sich nehmen will, ist extrem hoch. Für viele spielt der Gesundheitsfaktor tatsächlich eine wichtige Rolle. Sie achten darauf, die „guten“ Proteine zu sich zu nehmen. Doch als Gastronomin oder Gastronom gilt es, sensibel zu sein. Nennen Sie Ihre Gerichte nicht gesund und nennen Sie sie nicht immer vegan oder vegetarisch, etwa veganes Schnitzel. Denn viele der potenziellen Gäste essen Fleisch, sie würden dadurch eher verschreckt werden. Begriffe wie „Green Oat Burger“ oder „Power-Gemüse“ kommen da besser an. 

Speisen für Fridays for ­Future

Der Verzicht von tierischen Produkten ist ein Phänomen, das bleiben wird. Alleine aufgrund der Herausforderungen bei der Eindämmung der Klimaerwärmung spielt die Ernährungswende eine Rolle. Insofern hat der eingangs erwähnte Slogan „Normal oder mit Fleisch?“ vielleicht tatsächlich eine prophetische Dimension. Mit diesem Trend haben viele Börsianer übrigens auch schon Geld gemacht – und verloren. Der US-Pionier bei veganen Burger-Pattys „Beyond Meat“ legte einen fulminanten Höhenflug an der Börse hin und wurde mittlerweile wieder auf den Boden der Realität geholt. Das Argument der Firma: Im Vergleich zu herkömmlicher Fleischproduktion brauche man etwa die Hälfte der Energie sowie um mehr als 90 Prozent weniger Wasser und Anbaufläche.

Apropos Fläche: Zukunftsmusik ist die Marktreife des sogenannten In-vitro-Fleisches. Jene Fasern, die in Nährlösungen gezüchtet werden. In Israel hat sich zu diesem Thema aber bereits eine vielversprechende Start-up-Szene entwickelt. Nach derzeitiger Einschätzung dürfte es in etwa zehn Jahren zur Marktreife kommen. Auch hier lautet das Argument: klimafreundlich und im Sinne des Tierwohles. Landet irgendwann das Laborfleisch auf dem Teller, könnte letztlich dann doch wieder Fleisch „normal“ werden.