Kaffee

Wie „fancy“ muss eine ­Kaffee-Karte sein?

Kaffee
13.09.2023

Von: Roland Graf
Wenn der Fokus auf Deckungsbeiträge steigt, steht Kaffee besonders unter Beobachtung. Tipps von Barista-Trainerin Marie Grüner.
Marie Grüner

Vielen schwirrt bei der Fülle an Kaffee-Zubereitungsarten der Kopf. „Ein klassisches Wiener Kaffeehaus, eine Espressobar, ein Coffeeshop oder eine Franchisekette haben unterschiedliche Kundenbedürfnisse“, sorgt Marie Grüner hier für Entwarnung. Nicht jeder muss alles anbieten! Die als „Röstmarie“ aktive Spezialistin fokussiert im ÖGZ-Gespräch daher auf die unerlässlichen Grundlagen zum Kaffee-Umsatz.

ÖGZ: Der Deckungsbeitrag beim Kaffee ist die betriebswirtschaftliche Seite, doch nicht immer scheint diese Wichtigkeit auch gesehen zu werden?
Marie Grüner: „Das stimmt, Kaffee ist von entscheidender Bedeutung, erhält dafür aber oft zu wenig Aufmerksamkeit. Vor allem Qualität und geschultes Personal können die Gästezufriedenheit und -erfahrung (modern: „Guest Experience“) beeinflussen. Vergessen wir nicht, dass der Anspruch der Gäste gestiegen ist. Durchschnittliche Qualität im Lokal kann zum schwerwiegenden Nachteil für Gastro­nomen werden!

Das schmälert aber – gerade in preissensiblen Zeiten (Stichwort: Inflation) – auch die Gewinnmarge …
Klar, der Preis einer Tasse Kaffee muss nicht nur das Produkt selbst und den Personaleinsatz abdecken, sondern auch die damit verbundenen Ausgaben wie Energie, Geschirr und Maschinenkosten. Dennoch bleibt Kaffee aufgrund seines hohen Absatzes und der Beliebtheit als Getränk eine lohnende Einnahmequelle. Zumal auf der anderen Seite ja auch ein möglicher Mehrverkauf steht. Auf einen wirklich guten „Latte“ oder Espresso kommen – speziell im urbanen Raum – die Gäste auch öfter.

Marie Grüner
Von Espressobar bis Eckwirtshaus: Marie Grüner weiß, warum die richtige Bohne mehr zählt als der Brand.

Österreich lobt immer seine Kaffeekultur, da wundert doch das Stiefmütterchen-Dasein. Woher kommt das?
Ich denke, es ist oft der Mangel an Wissen über die Vielfalt und Qualität der Kaffeewelt. Dieses Desinteresse findet sich leider sogar bis in Top-Restaurants. Hoffnung gibt aber die Nachfrage: Wer zu Hause in einen Top-Siebträger investiert hat, wie es in den „Corona-Jahren“ geschah, ist auch beim Wirt bereit, für Qualität mehr zu bezahlen.

Da reicht eine Marke für die Melange aber nicht. Müssen jetzt alle ihren Kaffeeanbieter wechseln?
Das wäre nur sinnvoll, wenn man verschiedene Zielgruppen ansprechen will – und da geht es eher um die Aromatik als um Marken: Ein heller, fruchtiger Kaffee zieht Liebhaber komplexer, säurebetonter Kaffees an. Der kräftig-schokoladige Espresso spricht Fans des Röstgeschmacks an; für die Melange und andere Milch-Kaffees ist er weniger eine Option. Zudem sind lokal gerösteter oder fair gehandelter Kaffee wichtige Faktoren für die jüngere Klientel und damit die Kunden von morgen. Generell gilt aber: Ein kompetenter Barista kann aus einem durchschnittlichen Kaffee mehr herausholen als ein unerfahrener Barista aus hochwertigem Kaffee.

Das spricht aber zumindest für eine zweite Kaffeemühle – und damit einen weiteren Kostenfaktor?
Ob sich eine zweite Kaffee­mühle auszahlt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Technisch ist klar, dass unterschiedliche Röstungen auch andere Mahlgrade bedingen. Wenn ich eine Alternative zum herkömmlichen Kaffee anbieten will, dann erfordern Spezialitätenkaffees mehr Aufmerksamkeit und Kommunikation. Erst dann sollte man sich der „Hardware“ widmen. Ein Punkt ist in Sachen Kaffeemühle aber wesentlich – die Reinigung. Nach jedem (!) Mahlvorgang sollte der Auslauf mit einem Pinsel gereinigt werden, wöchentlich die Mahlscheiben trocken gebürstet werden. Je nach Kaffeequalität und Wartung sollte man die Mahlscheiben regelmäßig wechseln. Bei ein bis zwei Kilo Kaffeeverbrauch pro Tag würde ich das einmal im Jahr tun.

Zur Person

Die „Röstmarie“: Marie Grüner ist Trainerin bei der Specialty Coffee Association, Kaffeesommelière und erfahrene Barista mit CSP-Coffee-Skills-Diploma. Ihre Expertise vertiefte die Wiener Neustädterin durch Schulungen in London, München, Florenz und Wien. Als „Röstmarie“ mit „Grüner Kaffee“ – so der Name ihrer Kaffeemarke – bietet sie professionelle Barista-Ausbildungen an. Die Unternehmens- und Kommunikationsberaterin entwickelt zudem maßgeschneiderte Lösungen für Cafés.
www.mariegruener.com

Bleiben wir so konkret! Was kann ich beim Kaffeeeinkauf optimieren?
Beginnen wir mit einer deutlichen Aussage: Alles, was vom Kaffee­lieferanten zur Verfügung gestellt wird, zahlt der Gastronom über den Einkaufspreis mit. Das bedeutet, dass man Lieferanten kontinuierlich hinsichtlich Preis, Qualität und Lieferbedingungen vergleicht und vor allem bei langfristigen Verträgen wachsam sein sollte. Sinnvoll sind auch eine präzise Kaffeemengenplanung sowie die Optimierung des Lagers. Das habe ich selbst in der Hand, sofern Abläufe und Daten (schwächere Saisonen und Urlaubszeiten) regelmäßig analysiert werden.

Moderne Kaffeegetränke bieten Abwechslung, verursachen aber auch Mehraufwand. Braucht es das als z. B. klassisches Eckwirtshaus?
Nicht jedes Gastro-Konzept erfordert zwangsläufig teureren, besseren oder „modernen“ Kaffee! Wichtiger ist die Ausrichtung auf die Zielgruppe. Trendbewusstes City-Publikum z. B. erwartet moderne und hochwertige Specialty Coffees. In weniger guter Lage und einem traditionellen Angebot reicht ein qualitativ hochwertig zubereiteter (!) Kaffee zu mittleren Preisen. So viele Experimentierfreudige gibt es dort nicht! Die Klassiker wie Espresso, Cappuccino und Americano bleiben hingegen zeitlos. Moderne Kreationen wie Flat White oder Kaffees mit pflanzlicher Milch oder Kaffee-Cocktails haben ihren Platz in den Coffeeshops. Als Versuchsballon eignen sich aber saisonale Angebot, wie sie der Gast auch aus der Küche kennt: Im Sommer also z. B. Cold Brew, Espresso Tonic und vor allem Affogato, der Eisgenuss und Kaffee verbindet.