Exklusiv-Interview

Was bringt die Zukunft, Ottakringer?

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16.02.2023

Von: Roland Graf
Hoher Bierpreis, starke Gegner, schwieriges Marktumfeld: Wie der Neo-Vorstand der Ottakringer-Holding Markus Raunig die Wiener Brauerei, „Vöslauer“ und den Getränkehandel die Zukunft sieht, erzählt er im Exklusiv-Interview.
Ottakringer Brauerei

Flankiert von den (noch geheimen) Sujets der Ottakringer-Werbung, stellt sich Markus Raunig den Fragen der ÖGZ. Seine aktuelle Lieblingslektüre überrascht angesichts der Jahrzehnte-langen Karriere des 50-Jährigen in der internationalen Konzernwelt: „Gott ist ein Kreativer – kein Controller“. So sind es weniger Zahlen, die Raunig beeindruckt haben, seit er im September 2022 aus der Konsumgüter-Branche („Henkel“) in den 16. Bezirk gewechselt ist, sondern Menschliches: „Die langjährigen Beziehungen zu den Gastronomen sind etwas ganz Besonderes“, streut er den Bierführern Rosen. „Sie sind unser Gesicht, sehen als erste, wenn bei einem Wirt etwas nicht passt und tragen ihm Getränke auch bis in den zweiten Keller“.

Sichtlich genießt der Manager die kompakte Struktur der Holding, die neben allen Aktivitäten von „Ottakringer“ und „Vöslauer“ auch den Getränkehändler „Del Fabro Kolarik“ bündelt. Mit den Eigentümer-Familien Wenckheim und Menz im Aufsichtsrat stimmt sich der Vorstand ab. In operative Themen greifen sie kaum ein, in Strategisches sehr wohl: „Als Familienunternehmen denken wir nicht in Quartalen, sondern in Jahren“. Wohin diese Reise ab 2023 – von Craft Beer bis „Near Water“ geht, schilderte Raunig ÖGZ-Autor Roland Graf.

Herr Raunig, mehrfach erhöhte Preise, dazu Mindestmengen bei der Zustellung und gestrichene Liefertage – aktuell sind viel Wirte nicht gut auf die Bier-Branche zu sprechen. Verstehen Sie diesen Unmut?

Aluminium, Glas und Getreide haben sich im Einkaufspreis teilweise verdoppelt. Die Preiserhöhungen waren daher schlicht notwendig: Wichtig ist uns aber das Service für den Wirt: Zustellung Tag und Nacht, Fahrer, die seine Bedürfnisse kennen und das wollen wir weiterhin pflegen. Als Vollsortimenter und Familien-geführtes Unternehmen haben wir da auch klare Vorteile und bieten der Gastro das gesamte Getränkespektrum an.

Ohne Nachhaltigkeitsstrategie kommt kein Lebensmittel-Hersteller mehr aus. Wie sieht das beim Bier aus?

Der Ursprung, wo kommt es her, ist mittlerweile fast kein Unterscheidungskriterium am Markt mehr, man setzt Transparenz voraus. Es gibt immer mehr Bio-Biere und der Kunde verlangt das auch. Allerdings sind Bio-Rohstoffe nicht immer einfach – und ausreichend – verfügbar. Was aber auch ein interessanter Aspekt ist: Wir verfügen über eigene Quellen, nicht nur bei „Vöslauer“, wo das logisch ist, auch das Bier wird mit eigenem Wasser gebraut. Auch die Braugerste für unser „Wiener Original“ kommt etwa mittlerweile zu 100% aus Wien – im großen Stil sind wir das einzige „Null-Kilometer“-Bier der Hauptstadt. Das gilt auch bei den Mitarbeitern, wir haben etliche Vater-Sohn-Duo in den Produktionsbereichen. Kurz gab es sogar Opa, Vater und Enkel aus einer Familie! Das spricht ja auch für die Qualität des Familienunternehmens.

Mit dem „BrauWerk“ war man in Ottakring auch Pionier unter den Großbrauereien bei den „Craft Beer“-Projekten. Wie geht es diesem Marktsegment?

Der Markt für „Craft Beer“ flacht ein wenig ab, das bewegt sich eher in Richtung eines Verdrängungswettbewerbs. Das „BrauWerk“ ist aber bestens etabliert und hat viele Fans, die wöchentlich kommen und gern Neuheiten verkosten. Stärker ausbauen wollen wir auch die Braukurse. Da können Firmen bei einer Führung ihr ganz eigenes Bier brauen – das kommt gut an. Zudem können wir eigene Sude für Gastronomen in dieser Größenordnung machen.

Stichwort Events – auch dafür steht das Brauereigelände im „16ten“. Gibt es auch hier neue Ansätze?

Wir haben in Summe sieben Locations, zu Weihnachten gab es auch schon acht Feiern gleichzeitig! Für uns ist das eine gute Möglichkeit, „Marke zu machen“. Wer hier ein tolles Event erlebt und ein gutes Bier getrunken hat, wird begeistert sein. Aktuell sind es 200.000 Leute im Jahr bei Events und 50.000 Besucher bei Führungen – das kann noch wachsen. Zumal wir gutes Auskommen mit unseren Nachbarn haben und auch bis zu 3.000 Leuten unterbringen. Das ist eine Stoßrichtung für die Zukunft: Noch mehr machen, noch chicer und dennoch nicht unseren „Grätzl-Charme“ zu verlieren.

Ottakringer Brauerei
Markus Raunig

Lassen Sie uns über die anderen Tochterunternehmen reden. Wo geht es für „Vöslauer“ 2023 hin?

Vöslauer ist das beste Beispiel, wie man eine Marke für Lifestyle und Nachhaltigkeit positionieren kann. Wir bringen zwar viel Plastik in Verkehr, sind aber auch im gesamten Prozess entscheidend, dass recycelt wird. Als Marktführer in Gastronomie und Handel werden wir uns behutsam im „Near Water“-Bereich weiterentwickeln, etwa mit Zusatzstoffen wie aktuell beim „Sport“ mit Magnesium.

Als unumschränkter Marktführer im Inland kann hohes Wachstum nur mehr schwer erfolgen. Wie hält man es mit dem heiklen Thema Wasser-Export?

Deutschland wird immer wichtiger als Markt, da sind wir bei REWE und Edeka gelistet. Dort gibt es auch keine Dominanz von 40% des Marktes, sondern viele regionale Brunnen. Wir sehen überall Potential, wo der Österreicher gerne Urlaub macht, etwa Italien oder die obere Adria in Kroatien. Wer sich dort in der Marina eindeckt, findet sicher gerne „Vöslauer“ vor. Auch wenn es viele Anfragen gibt, Wasser nach Dubai oder den Oman zu liefern: Diese Angebote sind aus Nachhaltigkeitsüberlegungen nicht darstellbar. Es gibt auch vor der Haustüre genug Wachstum!

Und der mittlerweile landesweit aktive Getränkehandel von „Del Fabro Kolarik“?

Da wollen wir uns weiter als Vollsortimenter positionieren. Mit den sehr gut ausgebildeten Mitarbeitern dort können wir die Gastronomie allumfassend – als „One stop-shop“ – bedienen. Immer besser funktioniert dort auch das digitale Standbein, der Web-Shop „Feingeist“, der für Privatkunden aufgebaut wurde.

Ottakringer unterstützt auch die „konzernfreie“ Initiative der heimischen Privatbrauereien. In Ihrer Größe ist das mutig, oder?

Es geht gar nicht so sehr darum, gegen etwas zu sein, zumal den Konsumenten das Wort „Konzern“ eher nicht interessiert. Wichtiger ist zu sagen, wofür wir und viele kleine Brauer stehen. Dass nämlich die Wertschöpfung in der Region bleibt.

Die Corona-Jahre haben auch in der Ottakringer-Bilanz Spuren hinterlassen: 2020 ein Ergebnis vor Steuern von -6,4 Millionen, 2021 „nur“ knapp eine Million Plus. Wie lief das Vorjahr?

Die Zahlen für 2022 werden im April vorliegen, aber wir erwarten ein positives Ergebnis aus eigener Kraft. Wir haben Corona ohne große Umstrukturierung überstanden. Das ist auch ein Unterschied bei Familienunternehmen, dass nicht 30% der Belegschaft freigesetzt wurden, die man jetzt wieder händeringend sucht. Bis 2025 ist mein klares Ziel, die Ergebnissituation zu stärken. Da soll es in alte Sphären von 5 bis 6% Umsatzrentabilität gehen. Aus dieser Position der Stärke wollen wir mit der Ottakringer-Getränkegruppe dann auch Wachstumsphantasien entwickeln.

Das bedeutet eventuell auch weitere Zukäufe?

Das Distributionsnetzwerk als Vollsortimenter auszubauen, bedeutet sich selektiv umzuschauen, ob es in Österreich nicht den einen oder anderen Verleger gibt, der bei uns ins Portfolio passt. Da sind wir sicher für die eine oder andere Acquisition oder Kooperation offen!

Ottakringer Brauerei
Ottakringer im Sommer

Mehr als „16er Blech“

Ottakringer in Zahlen

Seit 2022 leitet der gebürtige Villacher Markus Raunig die börsennotierte „Ottakringer Getränke AG“ gemeinsam mit Doris Krejcarek. Der Getränkeabsatz von 317,6 Mio. Litern pro Jahr ist gewaltig, beim Umsatz wurden 192,6 Mio. € (2021) erzielt. Im Jahresschnitt beschäftigte das Unternehmen 777 Mitarbeiter bei „Vöslauer“, dem Handelshaus Del Fabro Kolarik und der namensgebenden Brauerei in Wien 16.

www.ottakringerkonzern.com