ÖGZ-Porträt

Das Hierarchische liegt mir nicht

ÖGZ-Porträt
06.10.2022

Ist Robert Hollmann Hotelier, Künstler oder einfach nur verrückt? Ein Gespräch über Unternehmertum, Erfolg, das Totschlagen von Zeit und warum Fotos von Hoteliersfamilien immer gleich aussehen.

Die Bestimmung, das Schicksal oder vielleicht der liebe Gott oder was auch immer für das Verteilen von Begabungen zuständig war oder ist, hat ein ziemlich großes Unrecht begangen. Warum, bitteschön, hat ausgerechnet Robert Hollmann eine solche Überdosis abbekommen? Er war in seinem Leben Koch, Schauspieler, Gastronom und ist heute Hotelier mit Betrieben in den schönsten Ecken der Welt –, auch wenn er die Bezeichnung „Hotelier“ nicht wirklich mag. 

Robert Hollmann weiß selbst nicht, was es mit der Verteilung von Begabungen auf sich hat. Wer ihn kennt, weiß aber, dass ihm das mit hoher Wahrscheinlichkeit ziemlich egal ist.  

Schauspielerei und Kochen

Wer seine Geschichte kennt, fragt sich vielleicht manchmal, was aus ihm geworden wäre, hätte er damals, 2003, die Beletage in der Köllnerhofgasse nicht eröffnet. Dabei hatte das Leben zunächst andere Pläne mit ihm. Hollmann absolvierte die Hotelfachschule und war im legendären Wiener Freihaus in der Schleifmühlgasse – einem Szenelokal – Küchenchef. Kochen war zwar seine Leidenschaft, Traum hatte er aber ursprünglich einen anderen: die Schauspielerei. Seine Eltern konnten sich mit diesem Gedanken nicht anfreunden und zeigten wenig Begeisterung für diesen Berufswunsch. Nach deren Trennung sah er aber seine Zeit gekommen. Er besuchte die Schauspielschule. 

Die Schauspielerei begleitete ihn immerhin 17 Jahre lang. Am Höhepunkt seiner Karriere – er hatte ein Engagement beim großen Heribert Sasse im Schlosspark Theater Berlin – drehte der damalige Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit in seiner ersten Amtshandlung den Geldhahn zu, das Theater musste schließen. Wowereit, so spottete man damals, „amüsiert sich wohl lieber im Musical“. Für Hollmann, der damals gerade den Liliom einstudierte, eine Katastrophe. Das Theater wurde von heute auf morgen geschlossen, Hollmann wurde arbeitslos und kehrte nach Wien zurück. Seine Schwester hatte damals in der Köllnerhofgasse ihre Ordination. Von ihr kam der Tipp mit der freien Etage im zweiten Stock auf Hausnummer 6. Neun Zimmer, ein Frühstücksraum und die Rezeption – mehr war es nicht. „Hotels sind mir ein Gräuel“, sagt Hollmann. Und: „Ich bin kein Hotelier.“ Er sei gerne Gastgeber, aber das Hoteliersgetue mit grinsenden Familienmitgliedern auf bunten Fotos, „da steigen mir die Pusteln auf“. 

Robert Hollmann bei der Einnahme eines Getränks auf einem kleinen Balkon der Beletage in Wien
Robert Hollmann bei der Einnahme eines Getränks auf einem kleinen Balkon der Beletage in Wien

Eklat auf dem ÖHV-Kongress

Einmal habe er auf einem ÖHV-Kongress für einen kleinen Eklat gesorgt – mit einer Qualtinger-Parodie auf den Tourismus. „Die Leute wussten nicht so recht, ob sie lachen sollen oder nicht. Ich bin jedenfalls gleich wieder gefahren.“ Die Bezeichnung „Hotel“ ist für die Hollmann-Betriebe wahrscheinlich falsch gewählt. „Vergnügungsstätten“ trifft es eher. Vier sind es mittlerweile: In Wien die zuvor erwähnte Beletage, auf der Turracher Höhe drei Troadkästen, die nach alter Zimmermannskunst liebevoll renoviert wurden, eine Wohnung in Triest, direkt am Meer, und  das UTMT („Underneath the Mango Tree Beach & Spa“) in Sri Lanka. 

Ausgerechnet Sri Lanka

Wie ist es zu Sri Lanka gekommen? „Ich liebe das Meer. Und die Beletage war irgendwann an einem Punkt, an dem ich mich raushalten konnte und sie trotzdem funktioniert hat.“ Sprich: Er musste nicht mehr vor Ort sein. Als seine Kinder noch klein waren, sahen er und seine Frau den Zeitpunkt gekommen: „Ein Zeitfenster, in dem wir noch blöde Sachen machen können.“ Griechenland, Italien, Frankreich waren im Gespräch. Doch irgendwann habe sich Asien herauskristallisiert, am Ende wurde es Sri Lanka („da gibt es ein Grundbuch“). 

Ein Zimmer in der Beletage.
Ein Zimmer in der Beletage. 

Verrückter Lebenstraum

„Im Nachhinein betrachtet war es verrückt. Aber ich habe mir einen Lebenstraum verwirklicht, die vier Jahre Aufbauzeit haben sich gelohnt.“ Aus dem Nichts, mitten in einer Kokosplantage und direkt am Meer, stampfte er mit 70 Tischlern und 200 Arbeitern in vier Jahren das „Underneath the Mango Tree Beach & Spa“ aus dem Boden. Ein Strandhotel mit 22 Zimmer und Villen. „Das will ich mir in meinem Leben nicht wegnehmen lassen. Eine tolle Erfahrung“, sagt er heute. Aber er hatte auch Pech. Als das Geschäft richtig ins Laufen kam, gab es zunächst die Easter Bombings, eine Reihe von Selbstmordattentaten mit Hunderten Toten. Dann Corona, jetzt die Energiekrise. „Sri Lanka muss man mir erst einmal nachmachen. An meiner damaligen Laufstrecke am Strand bin ich täglich an einer Hotelruine vorbeigelaufen. Das war ein Mahnmal für mich, so soll mein Projekt nie enden“, dachte er sich. Ein freier Tag pro Monat, 16-Stunden-Tage, das ganze vier Jahre lang. Das Projekt Sri Lanka war ein täglicher Kampf. „Wir haben sogar nachts gearbeitet.“ Ja, das will ihm wirklich niemand mehr wegnehmen. 

Blick ins Bad der Hütte Franzi auf der Turrach. Hier hat Hollmann drei Troadkästen liebevoll renoviert.
Blick ins Bad der Hütte Franzi auf der Turrach. Hier hat Hollmann drei Troadkästen liebevoll renoviert.

Stimmungen spüren

Wie bekommt man einen Spirit, eine Einstellung, in die Mitarbeiter hinein? „Es ist wichtig zu schauen, dass es den Leuten gut geht. Sie müssen gern arbeiten. Denn das spiegelt sich auf die Gäste“, betont Hollmann. „Mein Vater war ein Patriarch. Ich habe gelernt, Stimmungen herauszulesen, sie zu spüren. Ich habe eine Sensorik entwickelt: Ich öffne die Türe, komme irgendwo rein und weiß, wie die Leute drauf sind. Sie müssen kein Wort sagen“, beschreibt er sein Gespür für Situationen. Es werde auf Mitarbeiter geschaut, es werden Stärken identifiziert, sie werden gefragt, was sie gerne machen.  „Es herrscht ein nettes Miteinander“, beschreibt Hoteldirektorin Tamara Belinger die Stimmung. Wenn es beim Frühstück stressig wird, dann hilft jemand von der Rezeption aus, die Hoteldirektorin springt aber auch beim Abwaschen ein. „Es ist wie eine Familie. Das Hierarchische liegt mir nicht.“ 

Die Hotellerie kann anstrengend sein, aufregend. „Je älter ich werde, halte ich das auch immer weniger aus“, sagt Hollmann heute. Aber es mache ihm immer noch großen Spaß. Letztlich sei die Hotellerie nichts anderes als Theater zu spielen: „Es ist eine Art, mich auszudrücken.“

Hollmann