Von der Gast- zur Mitarbeiterfreundschaft

Vorarlberg
03.07.2019

Von: Barbara Egger
Das Arbeiten im Vorarlberger Tourismus zu einer Marke entwickeln, ist das vorrangige Ziel der Touristiker. Eine 5-Säulen-Strategie wurde ausgearbeitet.
Manuel Bitschnau ,GF Montafon Tourismus GmbH, Elmar Müller, Prokurist der Kleinwalsertal Tourismus eGen., Urs Treuthardt, GF Bodensee Vorarlberg Tourismus, Kerstin Biedermann-Smith, GF Alpenregion Vorarlberg Tourismus, Andrew Nußbaumer, Stv.-Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft, Michael Schwarzenbacher, Restaurant Mangold) und Harald Furtner, Spartengeschäftsführer Tourismus und Freizeitwirtschaft  v.l.
Manuel Bitschnau ,GF Montafon Tourismus GmbH, Elmar Müller, Prokurist der Kleinwalsertal Tourismus eGen., Urs Treuthardt, GF Bodensee Vorarlberg Tourismus, Kerstin Biedermann-Smith, GF Alpenregion Vorarlberg Tourismus, Andrew Nußbaumer, Stv.-Spartenobmann Tourismus und Freizeitwirtschaft, Michael Schwarzenbacher, Restaurant Mangold) und Harald Furtner, Spartengeschäftsführer Tourismus und Freizeitwirtschaft v.l.

Der Tourismus habe übers Jahr betrachtet im Vergleich zwar kein größeres Mitarbeiter- und Fachkräfteproblem als andere Branchen, aber eine Besonderheit, die ihn von allen anderen unterscheidet. „Der Tourismus hat Saisonen“, erklärte Harald Furtner im Rahmen eines Pressegesprächs zum Thema „Arbeitgebermarke für den Tourismus in Vorarlberg“ in Lochau.

Dazu lieferte der Spartengeschäftsführer Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Vorarlberg dazu folgende Zahlen: In Vorarlbergs Tourismusbetrieben konnte in den vergangenen zehn Jahren die Mitarbeiterzahl zwar um 25 Prozent gesteigert werden, im Winter werden jedoch knapp 3.000 Mitarbeiter mehr als im Sommer benötigt. „Diese Mitarbeiter müssen jedes Jahr auf den internationalen Arbeitsmärkten gesucht und rekrutiert werden. Dabei herrscht großer Wettbewerb mit allen anderen Winterdestinationen des Alpenraums“, sagte Furtner.

„Die Frage ist, was uns von den anderen Alpenregionen abhebt? Daher wollen und müssen wir das Arbeiten im Vorarlberger Tourismus zu einer Marke entwickeln“, betonte Andrew Nussbaumer. Der stellvertretenden Spartenobmann ist überzeugt: „Alle Investitionen, die wir heute in unsere Mitarbeiter tätigen, sind Investitionen in die Dienstleistungsqualität am Gast von morgen. Nur die besten Mitarbeiter werden uns helfen, unseren Qualitätstourismus langfristig abzusichern.“ Man wolle deshalb verschiedenste Maßnahmen setzen und Vorarlberg nicht nur als Urlaubs- sondern auch als Lebens- und Arbeitsraum für Mitarbeiter etablieren. Um die Vision „von der Gastfreundschaft zur Mitarbeiterfreundschaft“ zu verwirklichen, hat die Wirtschaftskammer das Projekt auf fünf Säulen gestützt.

Säule eins beruht auf messbare Arbeitgeber-Zertifizierung. Schon jetzt gibt es in Vorarlberg rund 120 messbare Qualitätsbetriebe. Diese Zahl soll mindestens verdoppelt werden. Mit messbar ist gemeint, dass Arbeitgeber entweder Mitarbeiterbefragungen über ein neutrales Schweizer Institut durchführen lassen, an der GASCHT (Gastgeberschule für Tourismusberufe) teilnehmen, bei Kununu gute Bewertungen erhalten oder als Königsdisziplin an einer „Great Place to Work“-Zertifizierung teilnehmen. Dafür wurde mit „Great Place to Work Österreich“ extra eine spezielle Adaptierung der Zertifizierung geschaffen und für die Vorarlberger Tourismusbetriebe zugeschnitten. 

Als zweite Säule dient ein europaweites Scoutsystem. Neben dem bereits bestehenden EURES-Netzwerk - ein Zusammenschluss europäischer Arbeitsmarktinstitutionen - will die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft ein eigenständiges europaweites Mitarbeiter-Scoutsystem aufbauen, das neue Wege bei der Mitarbeitersuche eröffnet.

Die dritte Säule beruht auf der Starcard, einer Mitarbeiterkarte für alle Mitarbeiter im Tourismus in Vorarlberg. „Für den Mitarbeiter von heute ist längst nicht mehr nur der Arbeitsplatz und die Entlohnung von Bedeutung, wenn man sich für eine Stelle entscheidet. Der Wohlfühlfaktor für unsere Mitarbeiter hängt auch davon ab, was für eine Lebensqualität die Regionen und das Land bietet“, so Andrew Nussbaumer. Neben den Vorteilen, ermöglicht die Karte zusätzlich die Sammlung von Kontaktdaten, mit denen man professionelles Mitarbeiter-Marketing betreiben wolle. „Wir können die Mitarbeiter direkt ansprechen, einbinden und eine Beziehung aufbauen. Als Beispiel nannte Harald Furtner Empfang und Verabschiedung bei Antritt und Verlassen einer Stelle.

Die vierte Säule fußt auf der stärkeren Vernetzung mit den Destinationen. „Sie sind es, die den engen Kontakten zu Betrieben und Mitarbeitern in den Regionen haben. In den letzten Jahren lag der touristische Fokus auf den Gästen. Wir haben erkannt, dass auch den Mitarbeitern diese Aufmerksamkeit zugeschrieben werden muss“, so Nussbaumer. Gemeinsam haben die Destinationen sowie die Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft deshalb Servicestellen eingerichtet, an die sich Mitarbeiter zu Themen wie etwa Autoanmeldung, Krankmeldung, aber auch bei Rechtsfragen wenden können. Zusätzlich befasst man sich dort mit Themen wie Mobilität und Wohnsituationen für Mitarbeiter. Montafon Tourismus sowie Alpenregion Vorarlberg Tourismus haben bereits ihre ersten Willkommenstreffs in den Regionen geplant, um neue Mitarbeiter zu begrüßen.

„Die Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tourismus wurden in den letzten Jahren enorm verbessert, sagte Manuel Bitschnau, Geschäftsführer Montafon Tourismus GmbH dazu. „Dennoch müssen wir weiterhin Initiativen setzen, um als attraktive Arbeitgeberbranche wahrgenommen zu werden. Mitarbeitende müssen wie Gäste umworben und gepflegt werden. Umso mehr begrüßen wir den Schulterschluss der Destinationen mit der Wirtschaftskammer, Vorarlberg Tourismus und dem Land Vorarlberg.“ Auch im Kleinwalsertal sieht man es als derzeit eine der größten Herausforderungen für den Tourismus, gute und motivierte Mitarbeiter zu bekommen und zu halten. „Wir haben vor rund zwei Jahren das Thema im Kleinwalsertal aufgegriffen. Dass diese Bestrebungen nun vorarlbergweit zwischen den Regionen vernetzt werden, ist enorm wichtig“, betonte Elmar Müller, Prokurist der Kleinwalsertal Tourismus eGen.

Nicht zuletzt kommt der Kommunikation eine tragende fünfte Säule zu. Gezielt wolle man die digitalen Medien wie Facebook, YouTube oder Instagram einsetzen. In der neuen Kommunikationslinie werden neben Karriere- und Weiterbildungsmöglichkeiten auch Themen wie Lebens- und Freizeitraum fokussiert. Harald Furtner: „Im Bauchgefühl unsere Mitarbeiter muss sich das Arbeiten im Vorarlberger Tourismus spannender, attraktiver und lohnender anfühlen als bei unseren Mitbewerbern. Kern der Kampagnen sind Mitarbeitervideos, in denen sie persönlich, authentisch und emotional über ihre Arbeit in Hotels und Restaurant sowie ihr Leben und ihre Freizeit in Vorarlberg berichten.“

„Mit diesem Konzept sind wir gegenüber dem anderen Österreich einen Schritt voraus“ sagte Gastwirt Michael Schwarzenbacher im ÖGZ-Interview, dass wir am Rande der Pressekonferenz im Restaurant Mangold in Lochau führten. „Da steckt viel Qualität dahinter und darauf können wir aufbauen. Selbst hat der Gastronom keine Probleme Mitarbeiter zu finden. Das führt er auf die hauseigene Philosophie des Zwei-Hauben-Restaurants mit 100 Sitzplätzen und rund 20 Mitarbeitern, davon fünf Lehrlinge, zurück. „Zuerst kommt die Familie, dann meine Mitarbeiter und dann meine Gäste. Bei uns gibt es die große Familie Mangold. Unsere Mitarbeiter gehören zu uns“, betont Schwarzenbacher. „Und das nicht erst seitdem es zu bröckeln begonnen hat und man draufgekommen ist, dass man etwas mehr tun muss, um Mitarbeiter zu bekommen und sie zu halten.“ Das Restaurant Mangold betreibe auch kein strategisches Mitarbeitermarketing, man lebe es einfach. „Für uns ist der Mitarbeiter ein wichtiger Teil. Er ist die Software des Betriebes. Wer echte Arbeitgeberqualität bietet und nicht nur auf dem Papier, dann spricht sich das herum. Wir profitieren von der Mund-zu-Mund-Propaganda.“ Auch hat das Mangold schon vor vielen Jahren und lange bevor andere Betriebe reagiert hätten, zwei fixe Ruhetage sprich die 5-Tage-Woche eingeführt. Das Vorzeigebeispiel „Mangold“ ist für Spartengeschäftsführer Harald Furtner auch Anlass für zentrale Botschaft, wie er sagt.  Und diese dürfe man auch als Interessensvertretung in die Branche hinein ganz klar formulieren: „Die Qualität des touristischen Arbeitsplatzes wird in Zukunft mitentscheidend sein, ob wir Mitarbeiter gewinnen oder nicht. Das sind wir noch nicht entsprechend aufgestellt. Das muss man offen und ehrlich sagen. Wir haben gute Betriebe, aber es sind auch Betriebe dabei, die weniger empfehlenswert sind. Und die guten Markenbetriebe müssen wir auf die Bühne stellen, die müssen wir weiterentwickeln und denen müssen wir jedes Servicemöglichkeit bieten, Mitarbeiter hinführen und in dem Sog sollen dann alle wachsen.“

1. messbare Arbeitgeber-Zertifizierung

2. europaweites Scoutsystem

3. Starcard

4. stärkeren Vernetzung mit den Destinationen

5. Kommunikation