ÖHV-Gratzer: "Es fehlt an einer klaren Strategie"

Hotel
18.11.2021

Von: Daniel Nutz
Die Pandiemie ist außer Kontrolle, die Tourismusbranche steht wieder mit dem Rücken zur Wand. Wir sprachen mit ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer über notwendige Wirtschaftshilfen, eine zaudernde Regierung und welche Rolle Interessensverbände wie die Hoteliersvereinigung in der Pandemiebekämpfung spielen sollten und die Schuld der FPÖ an der derzeitigen Misere.   
Markus Gratzer vermisst eine klare Strategie in der Pandemiebekämpfung.
Markus Gratzer vermisst eine klare Strategie in der Pandemiebekämpfung.

Herr Gratzer, die Pandemie trifft die Hotellerie wieder voll. Es setzt  eine Reisewarnung aus Deutschland und neue Maßnahmen in Österreich. Was merken die Betriebe davon schon?

Markus Gratzer: Der Winter fing gut an, wir hatten eine gute Nachfrage. Seit der Reisewarnung aus Deutschland und der Steigerung der Infektionszahlen in Österreich sind die Buchungen eingebrochen und es gab eine Stornowelle aus Deutschland. Stark betroffen ist der Bereich der Familienhotels aber auch wieder Stadt und Seminarhotels. Unsere aktuelle Blitzumfrage zeigt unter 350 Mitgliedern eine Stornorate von 51% bis Anfang Jänner. Das ist dramatisch.

Sie sagen, wenn der Gesundheitsminister nicht handelt, dann muss es der Finanzminister tun. Sprich: die Hilfen, die laut der EU-Rahmenvereinbarungen eigentlich nur bis Ende des Jahres, gelten sollen einfach verlängert werden?

Es gibt bereits jetzt gravierende Auswirkungen in den Betrieben. Wir brauchen wieder das Sicherheitsnetz, welches sich als Mittel in der Krise bislang bewährt hat. Von Seiten des Vertreters der EU-Kommission in Österreich, Martin Selmayr, gibt es hier das Signal, das der Rahmen für die Hilfen bis Mitte 2022 verlängert wird. Wir brauchen dringend wieder Maßnahmen wie Umsatzersatz, Fixkostenersatz, aber auch die Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung und 100 Prozent  Kurzarbeit ab dem 1. Arbeitstag, das ist gerade für Saisonbetriebe sehr wichtig.

Gesundheitsminister Mückstein trägt letztlich Verantwortung, aber ihm wird das Handeln auch nicht leicht gemacht. Kaum schlägt er etwas vor, stößt er beim Koalitionspartner oder bei manchen Landeshauptleuten auf Ablehnung. Hätte man schon im Sommer Druck machen müssen und strengere Regeln verordnen sollen, auch um die Impfquote erhöhen?

Natürlich, aber hinterher ist man immer gescheiter. Unbestritten ist, dass die Impfquote beschämend niedrig ist, auch im Vergleich mit westeuropäischen Ländern. Ich glaube, da muss man auch die FPÖ in die Verantwortung nehmen, die aus politischem Kalkül wirre Dinge verbreitet und Menschen verunsichert. Was mir von der Regierung fehlt, ist eine klare Strategie für den Herbst und den Winter mit verschiedenen Szenarien – von Best Case zu Worst Case.

Wir sind wohl gerade im Worst Case.

Man sieht, dass sich aber niemand  Gedanken über das derzeitige Szenario gemacht hat. Es scheint  niemand darauf vorbereitet gewesen zu sein. Das erzeugt zusätzliche Unsicherheit und es entsteht der Eindruck, dass man in der ersten Welle noch besser vorbereitet war als jetzt. Ich will da nicht nur den Gesundheitsminister in die Verantwortung nehmen, da geht es um die gesamte Regierung und auch die Bundesländer. Wir müssen den Pfad gemeinsam gehen.

Da muss man aber auch die Sozialpartner und Interessensverbände mitreinnehmen. Vor wenigen Wochen liefen beispielsweise noch Gastro-Branchenvertreter Sturm gegen die 2G-Verordnung in Wien. Muss man nicht in einer Krise die Gemeinschaftsinteressen auch über die Brancheninteressen stellen?

Es ist immer eine Gratwanderung. Aufgabe ist, zu schauen, dass unsere Unternehmen über die Runden kommen. Das geht natürlich nur, wenn die Gesellschaft funktioniert. Fakt ist: Wir sitzen nicht in den Gremien, die wissenschaftliche Expertisen zur pandemischen Situation bekommen. Ich glaube, es braucht hier eine klare Kommunikation der Maßnahmen und der Begleitmaßnahmen der Politik. Sicherheit und Transparenz ist in der Kommunikation wichtig.

Apropos Sicherheit: Sie machen den Vorschlag, dass der sogenannte Ninja-Pass, den PCR-getestete Schüler bekommen, von Hotels ausgesellt werden könnte. Würden die das mit eigenem Personal machen?

Wir haben jetzt schon viele Tests in Hotels gemacht. Ich denke, dass wir die Tests, die in den Ferien nicht in den Schulen gemacht werden, durchaus in Hotels erfolgen können. Wenn es um Urlaubstests geht, dann können wir das übernehmen und auch gerne eine Urlaubs-Ninja-Pass aufsetzen. Für Kinder aus anderen Ländern braucht es ab 12 Jahre einen 2G-Status.

Von einer 3G-Regel, wie von Ministerin Köstinger noch vor wenigen Wochen angekündigt, wird im Winter keine Rede sein. Ungeimpfte Gäste wird es den Winter wohl nicht geben, oder?

Realistisch muss man sagen: Wir sind in der vierten Welle. 2G wird uns länger, vielleicht die ganze Wintersaison begleiten.