Kolumne
Tote Pferde galoppieren nicht
Die Ausbildung junger Fachkräfte war über Jahrzehnte erprobte Praxis. Die Eltern wussten, dass die „Lehr“ einen soliden Berufseinstieg ermöglicht. Die Unternehmen hatten jedes Jahr junge Nachwuchskräfte im Betrieb, die Schritt für Schritt lernten, worauf es ankommt. Und die Schulen waren froh, dass jene bei ihnen landeten, die auch dorthin gehörten. Dieses System war so lange perfekt eingespielt, dass niemand darüber nachdenken musste, ob es eventuell Anpassungen braucht.
Das funktionierte so lange, bis alle vom Akademikermangel zu reden begannen. Medien, Unternehmen und Politik sprachen nur noch von der höchsten Bildung. Ob das zu Menschen und Anforderungen im beruflichen Alltag passt oder notwendig ist, wurde kaum diskutiert. Dass man damit die Lehre entwertet hat, war keine Absicht und ist eher nebenbei passiert. Jetzt schrumpfen auch noch die Alterskohorten, und die vielen, oft neu gegründeten Schulformen suchen nach den gleichen Interessenten wie die Betriebe.
Da hilft es wenig, wenn wir neue Imagekampagnen starten, denn ein hübscheres totes Pferd bleibt immer noch tot. Echte Veränderung kann nur in den Unternehmen stattfinden, indem wir Berufswege mit und ohne akademischen Abschluss sichtbar machen. Wir müssen auch lernen, mit jenen umzugehen, die nicht perfekt passen. Indem wir Wertschätzung gegenüber Mitarbeitern auf jeder Stufe wirklich leben und Eltern die Wahrheit erzählen. Denn wir haben nicht die Zeit darauf zu warten, bis sich das Bildungssystem nachhaltig ändert. Wir brauchen neue Geschichten, denn die alten Erzählungen interessieren nicht mehr.
Robert Frasch ist Gründer des Ausbildernetzwerks www.lehrlingspower.at und schreibt an dieser Stelle über Ausbildung und Fachkräfte