Salzburg

Audio-Dinner: Wenn Stockhausen auf Shiso-Kresse trifft

Kulinarik
25.10.2022

Von: Roland Graf
„Atmosphäre“ ist ein großes Wort in der Spitzengastronomie. Und doch besteht der „Soundtrack“ zum Essen oft aus Mittelmäßigem. Wie man hier nach den Sternen greift, zeigte das „Senns“ in Salzburg
Eine Servicekraft trägt einen Lautsprecher zu einem Tisch

Mozart darf in Salzburg nie fehlen. Mit dem Kanon „Bei der Hitz im Sommer eß ich…“ setzen Andreas Senn (zwei Michelin-Sterne für’s „Senns“) und Markus Platzer einen heiteren Auftakt ihres „POET & Senns Audio Dinner“. Es sollte noch fordernder werden, denn Platzer und seine Sound Systeme – allen voran die 50.000 Euro-Anlage „Poet sinfonetta“ – bespielen sieben Gänge im Salzburger Gusswerk mit passender Musik. Was aber ist „passend“? Ein triviales Beispiel liefert der Soundtrack zum Kobe-Rind mit Steinpilz: Die Tiroler-schweizerische Band „Jütz“ hat auch eine Kuhglocke in ihre Soundcollage gemischt. Die exotische Delikatesse wird so akustisch mit der vertrauten Alm „kurzgeschlossen“. 

Musik wie eine Weinbegleitung zu verstehen, ist ein Ansatz, der aber weit mehr zulässt. Etwa das Setzen eines elegischen Grundtons mittels „Jamaica Farewell“ (Harry Belafonte), ehe der Lobster aus den Gewässern um Tristan da Cunha aufgetragen wird. Die Reise von der entlegensten Insel der Welt wird so spürbar, das Gericht umso mehr als rare Ausnahme geschätzt. Verstärkt wird das Nachdenken über die ideale Musik durch die Bewegung der Boxen im Raum: Der hohe, klagende Ton einer indischen Flöte als Stücl zu Senns Signature Dish „Schwarzer Seehecht mit Ajo Blanco“ erhält so eine weitere Dimension.

Wie Wein-Begleitung mit Klängen

Hintergrundmusik ist für Markus Platzer inakzeptabel in der Top-Gastronomie: „Diese neue Form des Genusses will den wichtigen Sinn des Hörens nicht mehr länger nachrangig behandeln und eine von Algorithmen bestimmte Konservenmusik aus drittklassigen Lautsprechern quetschen“. Auf die Technologie des Grazers setzen etliche Restaurants der Oberklasse; POET Audio ist beispielsweise Partner der „Jeunes Restaurateurs“ (JRE).

„Kognitive Dissonanz“ für Ohr und Gaumen

„Authentische Gefühle von der Gänsehaut bis zur scheinbaren Schwerelosigkeit“, soll das audiophile Dinner liefern. Weshalb ihnen auch Andreas Senn viel abgewinnen kann. Der Spitzenkoch sieht sie als logische Erweiterung seines Verständnisses von absoluter Qualität am Teller – „umso besser, wenn uns dies ein Unternehmen aus Österreich liefern kann“. Das Restaurant „Senns“ im Salzburger Gusswerk ist schließlich auch ein prädestinierter Ort, wenn es um Klänge geht. Schließlich befindet es sich in einer ehemaligen Glockengießerei. Doch die immersive Essensbegleitung fordert auch aufgeschlossene Zuhörer: „Da gab es doch früher diese Bose-Boxen….“, will sich ein Gast mitten in die Stille hinein als HiFi-Experte gerieren – und trifft den POET Audio-Gründer damit ins Mark. 

Mit den kleinen Lautsprechern haben seine glänzenden Kuben nichts gemein. Aber auch das ist „Audio Dinner“: Der Erfinder des Gastro-Sounds im Dialog mit kritischen Gästen. Denn die Dame mit Hündchen hasst auch Karlheinz Stockhausen, wie sie angesichts der Menükarte kundtut. Pech gehabt! Zum Dessert (Eiscreme von der Shisokresse) wird der umstrittene „Neutöner“ mit elektronischer Musik von Gramatik aus Slowenien gemixt. Platzer setzt damit ein eigens für das Gericht kombiniertes Musikstück ein. Vor allem erreicht er aber „kognitive Dissonanz“ für Ohr und Gaumen: Der ungewohnte Klang begleitet die ansonsten aus Makis mit Umeboshi bekannte Kresse, die hier als Abschluss des Menüs fungiert.

Den musikalischen Schlussakkord hingegen setzte man in der ehemaligen Glockengießerei passend, aber unerwartet mit „Hells Bells“ von AC/DC. „Zu jedem Menü gehört ein fulminanter Abschluss, der im Gedächtnis bleibt und eben auch im Ohr“, zieht Senn auch hier Parallelen zur Küche bei der audiophilen Weltpremiere. Sie soll aber kein einmaliges Erlebnis bleiben: Das „POET & Senns Audio Dinner“ lässt sich ab sofort für Gruppen ab zehn Personen exklusiv in Salzburg buchen.