Guide Michelin Österreich

Mehr Sterne braucht das Land

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07.03.2023

Österreich droht, international in der kulinarischen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Wie denkt die Branche darüber? Und was tut sich hinter den Kulissen?
Michelin-Männchen

Köche, die das Land verlassen, weil sie „Sterne erkochen” wollen und dies in Österreich nicht können. Gibt’s nicht? Doch, die gibt es tatsächlich. In Tirol beispielsweise, in Vorarlberg. Aber auch in anderen Bundesländern. 

Langsam muss man sich die Frage stellen, warum man nicht die Chance ergreifen will, ein international renommiertes Marketing-Tool wie den Guide Michelin für den heimischen Tourismus zu nutzen. Er zieht nicht nur Gäste an, sondern auch qualifizierte Mitarbeiter.

Im „Main Cities“-Guide vertreten sind nur Wien und Salzburg Stadt. Es wird damit ein kleiner Ausschnitt abgebildet. Und wie man aus gut informierten Kreisen hört, wird es den „Main Cities Guide” auch nicht mehr lange geben. Denn mittlerweile haben praktisch alle unsere Nachbarländer eigene Länderausgaben. Wer benötigt da noch eine länderübergreifende Ausgabe, die nur einen Bruchteil abbildet?

Peinlichkeit

Slowenien hat mittlerweile einen, Kroatien ebenfalls. Eine Peinlichkeit sondergleichen, wenn Österreichs Betriebe – im Falle einer Einstellung – gar nicht mehr gelistet werden. „Wenn Österreich etwas kann, dann ist es Gastgeber zu sein und im Guide Michelin können wir das der Welt erzählen“, sagt etwa Metro Österreich-CEO Xavier Plotitza, der mit seinem Unternehmen diese Forderung seit Jahren unterstützt. „Ich appelliere an die Touristiker des Landes, diese Chance zu ergreifen und stehe gerne verbindend zur Verfügung“, sagt er.

Was sagen Touristiker zum Guide Michelin?

Fragt man Touristiker landauf und landab, ob sie den Guide als wichtig erachten, sagen alle „ja“.  Köche sowieso, aber auch Servicepersonal. Seit geraumer Zeit machen sich etwa die Neos für das Thema stark. Tourismussprecherin Julia Seidl, die sich mit diesem Thema sehr intensiv beschäftigt hat, kommt zum Schluss, dass alles  für einen Guide spricht, kaum etwas dagegen: „Die Sichtbarkeit des kulinarischen Angebots in Österreich beeinflusst auch die Wettbewerbsfähigkeit des heimischen Tourismus. Zahlreiche internationale Studien haben die Wirkung von Reiseführern, insbesondere dem Guide Michelin, untersucht. Diese bestätigen, dass die Gastronomie ein externer Pull-Faktor in Bezug auf Reiseziele ist“, heißt in einer ihrer parlamentarischen Anfragen. 

"Als weltweit einzig vergleichbare 'Währung' in der Gastronomie bringt der Guide Michelin Werbeeffekte und Wertschöpfung für das gesamte Land vom Tourismus über Landwirtschaft bis zur Kultur und weit darüber hinaus", sagt Andreas Winkelhofer, Geschäftsführer Oberösterreich Tourismus gegenüber der ÖGZ.

Für ihn sei klar, dass die ausgezeichneten Köchinnen und Köche weltweite Werbeträger für Österreich, den Tourismus und nicht zuletzt auch für die erstklassigen Produkte aus der regionalen Landwirtschaft sind. "Diese Anerkennung und Auszeichnung würde ganz klar zur Entwicklung und Sichtbarkeit der österreichischen Ess- und Trinkkultur auf breiter Ebene beitragen und Wertschöpfungseffekte auslösen. Die Bedeutung des Guide Michelin und die damit verbundenen touristischen Effekte für Österreich liegen somit auf der Hand", so der Touristiker.

Was kostet eine Österreich-Ausgabe des Guide Michelin?

Wir sind Tourismusland, Kulinarik-Hochburg und Weinland. Da muss die Frage gestattet sein, ob uns der Qualitätstourismus tatsächlich so ein Anliegen ist, wie gerne behauptet wird. Wir wollen weg vom Massentourismus? Der Guide Michelin ist eine kostengünstige Möglichkeit, ein Puzzleteil. Macht es! 
Das Investment? Wenn man es durch 9 Bundesländer dividiert, ist es fünfstellig. 

Die Vorteile eines Guide Michelin Österreich

  • Stärkung der ländlichen Regionen
  • Attraktivierung für hochqualifiziertes Personal
  • Internationaler Fokus auf die heimische Kulinarik
  • Mehr Nächtigungen
  • Millionen an Mehreinnahmen im Tourismus

Den Oscar gewinnen, nicht nur die Romy

Die österreichische Kulinarik ist eine Heimat elaborierter Schönheit, es werden Höchstleistungen erbracht. Und da sprechen wir gar nicht ausschließlich von der Spitzengastronomie. Einem Gault&Millau, Falstaff oder einem Guide A la carte will niemand die Daseinsberechtigung absprechen. Aber die heimischen Guides decken das Inlandspublikum ab, bestenfalls noch Deutschland und die Schweiz. International spielen sie aber eine untergeordnete Rolle. Man kann die Romy gewinnen, das ist schön. Aber ein Michelin-Stern, das ist der Oscar unter den Auszeichnungen. 

Was sagen die Kritiker des Guide Michelin?

"Der Guide Michelin ist elitär“, sagen Kritiker. Abgesehen davon, dass diese Aussage nicht stimmt – es werden ja nicht ausschließlich Spitzenrestaurants gelistet – gibt es kaum etwas, das jemand, dem der heimische Tourismus am Herzen liegt, dagegen haben könnte. 

Das Gastro-Fachmedium Kalk & Kegel hat eine Petition gestartet, in der ein Comeback des Guide Michelin Österreich gefordert wird. Bisher haben über 1000 Betriebe die Petition unterstützt. Derzeit sind im Guide Michelin Main Cities nur Betriebe in Wien und Salzburg gelistet. Der kulinarisch mindestens genauso wertvolle Rest von Österreich kommt nicht vor – was einen erheblichen Wettbewerbsnachteil für den Tourismus bedeutet. 

„In seiner letzten flächendeckenden Ausgabe 2009 listete der Guide Michelin 1262 Hotels und 469 Restaurants und bewarb damit den österreichischen Tourismus bei seinen weltweiten, reisefreudigen Anhängern“, sagt Kalk & Kegel-Macher Michael Pech. 2009 wurden 10 heimische Restaurants mit einem Stern ausgezeichnet, 44 Restaurants mit zwei Sternen. Aktuell listet der Guide Michelin weltweit rund 16.000 Adressen, etwa 1/5 davon wird mit einem oder mehreren Sternen ausgezeichnet. „Diese Zahl veranschaulicht, dass es bei Michelin nicht um die Wenigen an der Spitze geht, sondern um die große Breite. Und die ist in Österreich besonders stark“, sagt Pech.

Ein jahrelanger Partner und Befürworter des Guide Michelin ist Metro Österreich. CEO Xavier Plotitza: „Die Guide Michelin Plaque ist nicht nur sichtbares Symbol der Erstklassigkeit eines Gastronomiebetriebs, sondern auch eine großartige Chance, die einzigartige Küche unseres Landes international zu vermarkten.“ Er  appelliert an die Touristiker des Landes, diese Chance zu ergreifen. „Wenn Österreich etwas kann, dann ist es Gastgeber zu sein und im Guide Michelin können wir das der Welt erzählen.“

Laut einer aktuellen Berechnung fällt Österreich außerhalb der Städte Wien und Salzburg um eine Bewertung von 61 Sternen-Restaurants sowie 150 „Bib Gourmand“-Adressen um. Dazu kommen hunderte weitere Tipps des Michelin in den Regionen. Diese sind im weltweit bekanntesten Restaurantführer somit nicht sichtbar. Dadurch entgehen diesen Regionen mögliche Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe.