Gastronomie

Mahlzeit, Jedermann!

Gastronomie
06.09.2022

 
Die konzeptionelle Partnerschaft zwischen Festival-Veranstaltern und Gastronomie ist ein österreichisches Erfolgsmodell und beflügelt das Geschäft. Wir stellen einige Konzepte vor.
Eine Dame mit Federschmuck in historischem Kostüm

Text: Hanspeter Madlberger

Nach den Lockdown-Jahren 2020 und 2021 stürmen die Festival-Besucher heuer wieder unsere Aufführungen“, freut sich Kristina Sprenger. Die Ex-Soko-Kitzbühel-Kommissarin, jetzt Intendantin des Stadttheaters Berndorf (NÖ), kann als Obfrau des Theaterfestes Niederösterreich, das heuer an 19 Spielorten 22 Produktio­nen zur Aufführung gebracht hat, sehr gut einschätzen, wie regionale Festivals und regionale Gastronomie einander befruchten.

Corona habe das Besucherverhalten heuer deutlich verändert. Die Veranstaltungen werden laut Sprenger nun kurzfristiger gebucht, ganz abgesehen davon, dass bei den Freilichtaufführungen das Wetter den Gästezustrom nachdrücklich beeinflusst. Das bedeutet für die Pausengastronomie: noch höhere Ansprüche an Flexibilität, was Speisennachschub und Personal für Zubereitung und Service betrifft. 

Anforderungen an Gastronomen

Festivals stellen an ihre Caterer bzw. an die vor Ort agierenden Gastro­nomie-Partner sehr unterschiedliche und sehr spezielle Anforderungen, die von jenen des normalen Restaurantbetriebs stark abweichen. Kaum jemand weiß in dieser Frage besser Bescheid als René Voak, Inhaber und Leiter der NXP Veranstaltungsbetriebe im VAZ St. Pölten. Sein Befund: „Eine kongeniale Gastro­nomie hat einen ganz wesentlichen Anteil am Erfolg eines Events oder eines Festivals. Passt hier nicht die Qualität, wirft dies einen negativen Schatten auf die gesamte Veranstaltung.“ Vor allem kommt es darauf an, die Bedürfnisse des jeweiligen Zielpublikums zu kennen und das Angebot danach auszurichten. Eine Champagnerbar käme beim Publikum des „Woodstock Festivals der Blasmusik“ im Innviertel wohl ebenso wenig an wie ein Burgergrill bei den Matineen im Salzburger Mozarteum. 

Kaufmännische Fragen

Speziell die Gastro-Beteiligung an Großevents wirft eine kniffelige kaufmännische Frage auf: Da geht es für Voak um „das Spannungsfeld zwischen Qualität und Quantität, Personalaufwand, bereitzustellende Infrastruktur und Betriebskosten“. Konkrete aktuelle Engpässe sieht er einerseits bei der Personalrekrutierung, andererseits bei der „Unterbringung“ der enormen Energie- und Rohstoff-Preissteigerungen in der Kalkulation des Speisen- und Getränkeangebots. Maximale Preisdisziplin wird von allen Teilnehmern unserer Umfrage eingefordert, alles andere wäre, nicht nur bei den Winnetou-Festspielen, ein Schuss ins eigene Knie.

Warum der Sommer 2022 für Fest- und Festival-Caterer ein besonders herausforderndes Jahr ist, verrät Georg Loichtl, der in St. Pölten seit vielen Jahren das Catering-Unternehmen Flieger Gastro betreibt, sich auf die kulinarische Rundumversorgung von Hochzeiten, aber auch von Großveranstaltungen spezialisiert hat und seit 20 Jahren eigene Gastro-Betriebe im Festspielbezirk St. Pölten unterhält. „Das Geschäft im Mai und im Juni verlief zufriedenstellend, weil der Rückstau an Festen, der sich in den beiden Corona-Jahren gebildet hat, sich auflöste“, berichtet Loichtl. Die Freude war nur von kurzer Dauer, denn in den letzten Wochen belasteten wachsender Personalmangel und steigende Preiserhöhungen die Branche. 

Hohe Umwegrentabilität der Salzburger Festspiele

Österreich zählt zu den führenden Tourismus- und den führenden Kulturnationen Europas. Der gemeinsame BIP-Anteil dieser beiden Sparten wird von Nationalökonomen bei mindestens 15 % verortet. Solcherart ist Festival-Food ein ökonomisches Erfolgsmodell. Das bestätigt eine von der Wirtschaftskammer Salzburg in Auftrag gegebene Studie zur Umwegrentabilität der Salzburger Festspiele, die im Jahr 2016 publiziert wurde. 
Die Key-Facts: Im Schnitt gibt jeder Festspielbesucher pro Tag für die Festspielkarte 550 Euro aus, weitere 191 Euro für Beherbergung und Verpflegung. Besucher, die in der Stadt wohnen, halten sich dort durchschnittlich sechs Tage auf, wer den Festspielbesuch mit einem Sommerfrische-Urlaub in der Umgebung verknüpft, bleibt zehn Tage. 52 % der Festspielgäste kommen aus Österreich, 37 % aus Deutschland. Der jährliche Bruttowertschöpfungseffekt für die Stadt Salzburg liegt bei 183 Mio. Euro, unter Einbeziehung des vom Festival induzierten Tourismus in den Umlandregionen steigt dieser Wert auf 255 Mio. Euro. 

Kultur verbindet Kunst und Essen

Das Festival Kunst & Kulinarik, veranstaltet vom Nobelgastronomen Döllerer (siehe untenstehendes Interview), markiert eine bedeutende Entwicklungsstufe in der Verschränkung von Festival und Gastmahl, von geistig-emotionalem und physisch-sinnlichem Kulturgenuss. Wie eine Umfrage der ÖGZ aus dem Jahr 2016 ergab, freuten sich damals Haubenrestaurants wie das Pfefferschiff in Salzburg über die hervorragende Besucherfrequenz während der Festspielwochen, spezielle Kooperationen mit dem Veranstalter aber fanden kaum statt. Einen Schritt weiter in der Systempartnerschaft mit einem Festival war damals schon Das Schmidt in Mörbisch, das speziell für die Hotelgäste, die wegen der Seefestspiele dort einkehren, ein „Kulturgenuss-Package“ schnürte. Ganz im Sinn des neuen Festspiel-Intendanten Alfons Haider, der gegenüber Medien erklärte, „eine schnelle Pausengastronomie“ sei ein wesentlicher Erfolgsfaktor einer gelungenen Festivalproduktion.

Esskultur meets Kulturevents

Immer mehr clevere Festival-Organisatoren setzten auf die Win-win-Partnerschaft mit einer Gastronomie, die das Event-Catering drauf hat. Rainer Candido, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Hallein/Bad Dürnberg, zeichnet unter anderem für die gastronomische Bespielung der Pernerinsel, die sich als Aufführungsort der Salzburger Festspiele für modernes, dem Zeitgeist verpflichtetes Theater einen Namen machte, verantwortlich: „Auf der Pernerinsel haben wir die Möglichkeit, in einer besonderen Atmosphäre die kulinarische Vielfalt des Standortes Hallein zu zeigen. Unser kreativer Ansatz: Kommen die Festspielbesucher nicht zur Halleiner Gastronomie, so drehen wir den Spieß um: Die Halleiner Gastronomie kommt zu den Festspielbesuchern auf der Insel.“ Insgesamt sind fünf Gastro-Stationen auf dem Industrieareal installiert. Zwei Stunden vor und zwei Stunden nach der Aufführung können die Besucher die gastronomische Vielfalt, von der traditionellen Wirtshaus-Kost des Stadtkrugs bis zu den Spezialitäten der Konfiserie Braun und den Guglhof-Edelbränden, entdecken und erleben. Candidos pragmatische Ansage zur Preisstrategie: „Wir agieren nach dem Fairplay-Prinzip. Hochwertige Produkte sind teuer, Standardprodukte marktkonform.“ 

Die Menschen in Österreich feiern gern, besonders in schweren Zeiten, aber nicht jedes Fest ist ein Festival, das gehobenen kulturellen Ansprüchen gerecht wird. So sind aus der Perspektive der Eventgastro­nomie und ihrer Lieferpartner aus der Bier- und Weinszene die Grenzen zwischen Festival und Volksfest buchstäblich fließend. Wie sich im Übrigen auch die Brauer und die Winzer gerne das Wirtskapperl aufsetzen. „Direktvermarktung“ heißt das im Marketing-Deutsch. 

Jedermann zapft Stiegl-Pils an

Beflügelt vom Genius Loci, läuft die Salzburger Stieglbrauerei in der kongenialen Partnerschaft mit den Salzburger Festspielen von Stufe zu Stufe zur Höchstform auf. 

Dieter Moser, Vorsitzender der Stiegl-Geschäftsführung, unterstreicht die markenstrategische Bedeutung dieser umfangreichen Kooperation: „Festivals und Events sind Teil unseres Marketing-Mix und für uns sehr wichtig. Die Präsenz bei Festivals ermöglicht es uns, unsere Produkte direkt zu den Menschen zu bringen und damit die Marke Stiegl entsprechend zu positionieren und bekannt zu machen. Und das zahlt natürlich auch auf das Image der Marke ein.“

Stiegl ist seit 2006 offizieller Produkt-Sponsor des weltberühmten Festivals in der Salzachstadt. In den Pausenfoyers wird alljährlich die Sonderedition des Festspiel-Pils angeboten. Eine Reverenz an die kaufkräftigen deutschen Festspiel-Gäste, die diese herbe Biersorte bevorzugen.