Heiße Debatte um vegane Kochlehre

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25.05.2023

In heimischen Betrieben brodelt nicht nur der Gulaschtopf, sondern auch eine hitzige Debatte: Fleischzentrierte Tradition vs. vegane Kochkunst
Veganer Koch

In der Branche brodelt es. Zwischen Tafelspitz und Seitan Schnitzel manifestiert sich ein Konflikt, der tief in die Seele der österreichischen Gastronomie reicht: der Kampf um die Akzeptanz und Förderung der veganen Küche.

In Österreich gilt eine strenge Regel: Nur wer Fleisch serviert, darf Lehrlinge ausbilden. Ein Anachronismus, findet der Salzburger Gastronom Sepp Schellhorn und wehrt sich offen gegen diese Regelung. Zentraler Streitpunkt ist die steigende Nachfrage nach Ausbildungsmöglichkeiten für vegane Köche, um der wachsenden Nachfrage nach fleischloser Ernährung Rechnung zu tragen.

Sepp Schellhorn
Ist mit der Haltung der Wirtschafts´kammer nicht einverstanden: Sepp Schellhorn.

Fachkräftemangel

Trotz des Trends und der vehementen Bemühungen vieler Gastronomen, die Ausbildung in diesem Bereich zu verbessern, wurden bisher alle entsprechenden Vorstöße abgewehrt. Die Begründung der Branche: Es fehle ein Berufsbild und ein Lehrplan, eine Prüfungsordnung und eine adäquate Organisation der Lehrgänge. Außerdem, so die Argumentation, müssten die Sozialpartner eingebunden werden und zustimmen.

Die „Sturheit“, mit der diese Veränderungen bekämpft werden, ärgert Schellhorn und andere Befürworter der veganen Lehre. Vor allem angesichts des Fachkräftemangels und der weltweiten Bemühungen um Klimaschutz und gesündere Ernährung erscheint ihnen das Festhalten an der alten Ausbildungsordnung als überholt und kontraproduktiv. Gegner einer Änderung der Ausbildungsstrukturen argumentieren hingegen, dass eine fleischlose Ausbildung die Qualität der Lehre verwässern und dem Nachwuchs Entwicklungsmöglichkeiten nehmen würde. Dem widersprechen Schellhorn und andere Vertreter vehement. Sie betonen, dass eine zeitgemäße Ausbildung vielmehr neue Perspektiven eröffnen und die Attraktivität der Branche für junge Menschen steigern könne.

Aber es tut sich was: „Als Fachverband setzen wir uns immer für eine qualitativ hochstehende Ausbildung und für die ständige Weiterentwicklung unserer international anerkannten Lehrberufe ein. In diesem Zusammenhang wurde in der heutigen Ausschusssitzung des Fachverbandes Gastronomie auch ein Antrag für die Schaffung eines neuen Lehrberufes zum veganen/vegetarischen Kochs behandelt. Wir sind prinzipiell offen für neue Ideen, allerdings fehlen dazu noch konkrete Inhalte, die für die Schaffung eines solchen Lehrberufes notwendig wären: Berufsbild, Lehrplan, Prüfungsordnung, Organisation eines entsprechenden Berufsschul-Lehrgangs bzw. die Einbindung und Zustimmung der Sozialpartner, konkret der Gewerkschaft vida. Alles Voraussetzungen, die das Gesetz für die Verwirklichung einer solchen Ausbildung verlangt“, erklärt Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie. Diese Inhalte sollen nun erarbeitet werden. Pulker: „Der Ball liegt nun bei unserem Ausschussmitglied Joachim Ivany, der die Leitung dieser Arbeitsgruppe übernommen hat.“

Was sagt die Wirtschaftskammer?

Der Fachverband Gastronomie diskutierte kürzlich in einer Ausschusssitzung die Möglichkeit, einen neuen Lehrberuf für vegane und vegetarische Köche einzuführen. Trotz grundsätzlicher Offenheit für die Idee wurde betont, dass spezifische Inhalte und Rahmenbedingungen - wie Berufsbild, Lehrplan, Prüfungsordnung und die Organisation eines entsprechenden Berufsschullehrganges - noch erarbeitet werden müssen. Auch die Zustimmung der Gewerkschaft vida wurde als notwendig erachtet.

Die Leitung dieser speziellen Arbeitsgruppe wurde dem Ausschussmitglied Joachim Ivany übertragen. Ziel der Arbeitsgruppe sei es, ein breites und umfassendes Curriculum zu entwickeln, das die zukünftigen Fachkräfte auf den nationalen und internationalen Arbeitsmarkt vorbereitet, ohne sie auf eine Nische zu beschränken. 

Pulker wies darauf hin, dass es bereits Zusatzausbildungen im Bereich der veganen und vegetarischen Speisenzubereitung gebe und dass man bestrebt sei, dieser wachsenden Nachfrage gerecht zu werden. Das weitere Vorgehen hängt von den Ergebnissen der Arbeitsgruppe ab.

Ausbildung überdenken

Schon seit Jahren bemühen sich Gastronomen wie Paul Ivic, Küchenchef und Geschäftsführer des veganen Restaurants „Tian“ in Wien, die Ausbildungsordnungen zu überdenken und anzupassen. Sie betonen, dass es nicht nur um die sofortige Einführung einer veganen Lehre geht, sondern um eine grundsätzliche Neuausrichtung der Ausbildung, die die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen der Ernährung berücksichtigt.

Aber nicht nur „Fleischlos-Gastronomen„ haben Schwierigkeiten mit den derzeitigen Ausbildungsregelungen. Auch Tobias Müller, Inhaber mehrerer asiatischer Restaurants, kann keine Lehrlinge ausbilden, weil nicht mindestens 70 Prozent der Gerichte „österreichisch“ sind. Eine Regelung, die er als unverständlich bezeichnet, da seine Küche nahezu das gesamte Spektrum dessen abdeckt, was Köche lernen können.

Während sich die Flammen dieser Debatte in den Betrieben weiter erheben, bleibt die Frage offen, ob die heimische Gastronomie an ihrer tief verwurzelten Tradition festhält oder sich auch der dynamischen Änderung der globalen Ernährungstrends anpasst.