ÖHV KONGRESS

Wir müssen einander verstehen lernen

Personal
05.05.2022

Von: Daniel Nutz
Der ÖHV-Kongress behandelte heuer das Thema „Arbeitswelten und Lebensläufe neu denken“. Die Verständigung zwischen den Generationen wird zur zentralen Fähigkeit.
Arbeitswelten der Zukunft. Der Philosoph Richard David Precht diskutierte seine Thesen.

Der Event fühlte sich an wie eine Wiedergeburt, war er aber gar nicht. Als eine der wenigen Branchenevents kam der Kongress der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) ohne grobe Dellen durch die Krise, und fand uneingeschränkt statt. Nach Bregenz 2020 und Linz im Vorjahr stand die Wiener Hofburg als Kulisse für die diesjährige Ausgabe als würdiger Rahmen parat – was doch den Schimmer von Wiedergeburt verlieh.

Was geschah? Die langjährige Präsidentin Michaela Reitterer und wurde verabschiedet und geehrt. Sie tritt als eine Art Lichtgestalt der Branche ab, die progressive Agenden setzte und die ÖHV auch in der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung weiter stärkte. Tags darauf setzt Nachfolger Walter Veit die soweit erwartbare interessenspolitische Agenda. Leistung müsse sich wieder lohnen, lautet seine Forderung an die Politik. Applaus, und dann betrat der deutsche Starphilosoph Richard David Precht die Bühne.

Sinn statt Geld

Man ahnte natürlich schon was kommen würde. Precht begeistert viele und verstört manche andere gleichermaßen (z.B. Stichwort: Grundeinkommen). Und in diesem Moment zeigte sich auch die Stärke des diesjährigen ÖHV-Kongresses. Noch intensiver als früher wurde die Bühne zu einem diskursiven Ort. Wer hat jetzt Recht, wer die dringendere Agenda? Veit, der sich auf einen Leistungsgbegriff der Wirtschaftswunderjahre bezieht, oder der Philosoph Precht, der aufzeigt, wie sich die Gesellschaft ändert?

Aus der Erwerbsgesellschaft ist die Sinngesellschaft geworden, so Precht. Da komme man mit alten Methoden im HR-Management nicht besonders weit.

Grundlage der precht’schen Erzählung ist die fortlaufende Automatisierung. Das haben wir schon mal gehört, etwa in der Oxford-Studie, wonach jeder zweite Arbeitsplatz mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden zehn bis 20 Jahren wegfallen wird. Hier liegt dann Chance und Herausforderung der Tourismusbranche gleichermaßen. Denn kaum wo werden Empathieberufe mehr gebraucht.

Der ÖHV Kongress fand heuer bei vollen Hause in der Wiener Hofburg statt. 

Die anderen verstehen

Die Erkenntnis: Es gibt kein Richtig oder Falsch! Es kommt auf die Perspektive an. Babyboomer (also die Generation von ÖHV-Präsident Veit) setzen einfach andere Schwerpunkte als die nach 1994 geborene Generation Z, die seit einigen Jahren ins Erwerbsleben strömt.

Wobei natürlich Vorsicht geboten ist, solche Kategorisierungen nach Geburtsjahr sind nicht auf das Individuum herunter zu brechen – sie zeigen vielmehr allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen. War der Babyboomer noch ein Workaholic und an Hierarchien gewöhnt, fragt „die Generation Z“ beim Einstellungsgespräch: „und was bekomme ich dafür?“.

Die deutsche Soziologin Antje-Britta Mörstedt versuchte dann die unterschiedlichen Generationen (Boomer, X, Y, Z und ganz neu: Alpha) zu decodieren. Dabei wird klar: eine zentrale Kompetenz, welche die Berufswelt jetzt und in der Zukunft einfordert, ist das Verstehen des anderen. Wenn man Frau Mörstedt so zuhört, dann muten die unterschiedlichen sprachlichen Codes (wie etwa „meine Base chillen“) wie Fremdwörter für  die jeweils andere Generation an. Es wird in der künftigen Berufswelt dringend nötig sein, die Sprache der jeweils anderen Generation zu sprechen lernen.    

ÖHV Kongress 2023

Zum ersten Mal findet der ÖHV-Kongress 2023 in Salzburg statt und damit zum dritten Mal in Folge in einer Landeshauptstadt. Termin ist der 22. bis 24. Jänner.