Warum der Gast sein Auto liebt
Wir träumen von der sanften Mobilität, doch die Realität fährt SUV. Warum für viele Gäste der Autoschlüssel König bleibt: Mobilitätsexpertin Claudia Falkinger räumt im ÖGZ-Talk mit Illusionen auf. Mit Podcastfolge!
Seien wir ehrlich: Wenn der Gast bei Ihnen an der Rezeption steht, ist er oft schon genervt. Stau auf der A1, Parkplatzsuche in der Innenstadt, das Gepäck schleppen. Mobilität ist der erste Eindruck, den ein Gast von einem Urlaubsort oder einem Hotel bekommt, und leider oft der schlechteste. Claudia Falkinger, Co-Gründerin des Mobilitätsunternehmens Point&, legt den Finger genau in diese Wunde. Im aktuellen „Tourismus To Go“-Podcast macht sie klar: Der kommende Song Contest in Wien ist der ultimative Stresstest für unsere Infrastruktur.
Das Gepäck regiert die Welt
Warum reisen 90 Prozent der Gäste immer noch mit dem Auto an? Nicht, weil sie den Stau lieben. Sondern wegen der Koffer. „Mobilität ist Gewohnheit“, sagt Falkinger. Wer Kinder, Kegel und Skiausrüstung transportiert, pfeift auf den Klimaschutz, wenn die Alternative „Stress“ bedeutet. Die Bahn mag schnell sein, ein Viertel der Skigebiete ist per Zug schneller erreichbar als per PKW, aber solange der Transport vom Bahnhof ins Hotelzimmer eine Expedition ist, bleibt der Zündschlüssel im Schloss. Hier müssen wir ansetzen. Falkinger fordert Lösungen, die auch für Oma Erna oder die Familie mit Kinderwagen funktionieren, nicht nur für den hippen Backpacker.

Ein Blick in die Zahlen der Statistik Austria zeigt, wie tief der Graben zwischen Sonntagsreden und Reise-Realität tatsächlich ist. Während wir auf Branchen-Events gerne über Nachhaltigkeit philosophieren, stimmen die Gäste weiterhin mit dem Zündschlüssel ab: Im ersten Halbjahr 2025 erfolgten satte 74,3 Prozent aller Inlands-Urlaubsreisen mit dem Auto. Die Bahn? Dümpelt bei Inlandsreisen bei rund 21 Prozent – im Gesamtjahresvergleich 2024 ist der Anteil der Zugreisen sogar leicht gesunken, während das Flugzeug wieder zulegt. Diese Zahlen sind ein Weckruf: Der Gast ist kein Umweltsünder aus Bosheit, sondern aus Pragmatismus. Wer am Zielort ohne Auto aufgeschmissen ist, reist gar nicht erst öffentlich an. Der Song Contest wird damit vom Musikevent zum gnadenlosen Crashtest für unsere Mobilitätswende.
Hier liegt das Geld auf der Straße, aber keiner hebt es auf. Laut dem „Better Mobility Trendreport“ zielen gerade einmal fünf Prozent der europäischen Mobilitäts-Innovationen auf den Tourismus ab. Das ist wirtschaftlicher Wahnsinn. Wer hier smarte Lösungen bietet, sei es Gepäckservice, Shuttle-Apps oder Sharing-Modelle vor Ort, der gewinnt.
Wien als Testlabor
Und hier kommt der Eurovision Song Contest 2026 ins Spiel. Nicht als Party-Event, sondern als Stresstest. Wenn Wien im kommenden Jahr von Besuchermassen geflutet wird, zeigt sich gnadenlos, ob unsere Systeme skalierbar sind. Falkinger und ihr Team nutzen die Woche rund um das Großevent als Testfeld für einen „Call for Mobility“, um Innovationen zu scouten, die weit über die Veranstaltung hinausreichen. Paris hat vorgemacht, wie Olympische Spiele die Stadtentwicklung um zehn Jahre beschleunigen können.
Wien, und mit ihm der gesamte österreichische Tourismus, hat jetzt dieselbe Chance. Es geht nicht um Ampelmännchen. Es geht darum, Konzepte zu finden, die auch im tiefsten Winter im Salzburger Land funktionieren. Wer als Region jetzt nicht hinschaut, vergibt eine Jahrhundertchance.
Der Better Mobility Trendreport: Die umfassende Analyse zur Zukunft der Mobilität in Europa. www.pointand.eu/de/academy/better-mobility-trendreport
Call for Mobility & Tourism Innovations: Ihr habt eine Lösung für die „letzte Meile“ oder den ESC? Reicht eure Konzepte noch bis zum 30. November ein! www.pointand.eu/eurovision
Mehr zum Podcast: Alle Folgen und Hintergründe für Profis.
www.gast.at/podcast-tourismus




